13.2.4 Die Perspektive des Gegenübers
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Um großzügig spielen zu können und um den Partner zu unterstützen, müssen wir in der Lage sein, immer wieder die eigene Spielperspektive zu verändern, indem wir die Perspektive unserer Spielpartner einnehmen: Was inspiriert meinen Partner? Wie fordere ich ihn heraus, ohne ihn zu überfordern? Wie halte ich das Spiel am Laufen?
Wenn ein professioneller Basketballer mit einem neuen Spieler im Team spielt, wird er versuchen, rasch dessen Stärken und Schwächen ins eigene Spiel zu integrieren. Einem Neuling wird man kaum einen Hinterm-Rücken-Pass zumuten. Ist der Mitspieler ein guter Verteidiger oder besonders stark im Angriff? Ist er laufoder sprungstark?
Auf ähnliche Weise müssen wir Impro-Spieler unsere Mitspieler „lesen“ lernen. Viele Impro-Spieler glauben, man könne mit jedem Spieler gleich spielen. Aber während Einer besonders gut bei schnellen verbalen Spielen ist, sind die Stärken des Anderen vielleicht präzises Schauspiel, musikalisches Gespür oder raffiniertes Storytelling.
Wenn man von einem Spieler verlangt, ein Gedicht zu improvisieren, in dem Wissen, dass er das eigentlich hasst, wird er wahrscheinlich gute Miene zum bösen Spiel machen und die Zuschauer werden sein mutiges Scheitern bewundern, aber um wieviel schöner ist es, ihn mit seinen Stärken – sagen wir, einem Pantomime-Solo – herauszufordern! Und um wieviel mehr wird das Publikum...