Editorial
Erschienen in: BÜCHNER international – Produktionen, Positionen, Perspektiven (06/2013)
Arm oder reich. Blutige oder friedliche Revolution. Hedonismus oder Engagement. Wie kein zweiter Dichter des 19. Jahrhunderts hat Georg Büchner Zukunftsmarken gesetzt und sich eingeschrieben in eine konfliktreiche Gegenwart. Die Wunde Büchner kann nicht verheilen, weil es auf maßlos bedrängende Fragen keine maßvollen Antworten gibt. Oder auch: weil die Menschheitsprobleme ganz offenkundig von Menschen nicht zu lösen sind. Ob Georg Büchner im reiferen Alter mit dieser nüchternen Erkenntnis seinen Frieden gemacht hätte? Wir wissen es nicht. Der Dichter, Forscher und Rebell starb am 19. Februar 1837 im Alter von 23 Jahren in Zürich. Was bleibt, ist der Furor des Anfangs.
Die Zeitspanne zwischen dem 175. Todestag und dem 200. Ge burtstag nimmt das Bundesland Hessen zum Anlass, Leben, Werk und Wirkung Georg Büchners zu vergegenwärtigen. Dem Theaterfestival BÜCHNER international am Stadttheater Gießen kommt hierbei eine herausragende Stellung zu. Für neun Tage sind darstellende Künstler aus aller Welt zu Gast in Büchners einstiger Studienstadt und zeigen auf, wo Woyzeck, Danton, Leonce, Lena und Lenz heute auch zu Hause sind.
Das vorliegende Arbeitsbuch „BÜCHNER international – Produktionen, Positionen, Perspektiven“ stellt das Programm dieses einzigartigen Festivals ausführlich vor. Zugleich bietet es einen facettenreichen Einblick in die gegenwärtige Büchner- Rezeption. Ein instruktives Gespräch über die „Weltwunde Woyzeck“, Aufführungsberichte aus Frankreich, Russland und Chile sowie zwei höchst originelle Forschungsbeiträge öffnen den Raum für eine lebendige und zeitgemäße Auseinandersetzung mit einem wirkungsmächtigen Klassiker.