Essay
Verwandlung oder Reibung
Textwirklichkeiten im Figurentheater
von Frank Soehnle
Erschienen in: double 51: Worte formen – Zum Verhältnis von Puppe und Text (04/2025)
„… also mit tausend Armen die Sprache locken heranlocken etwa, Schulter an Schulter“ (Friederike Mayröcker)
Die Konvention der Text sprechenden Theaterfigur findet man selten in meiner Theaterarbeit. Klang, Geräusch und Musik erscheinen mir meist stimmiger als Sprache für eine animierte Theaterfigur, die in einer anderen Realität existiert. Oder erzählendes Textmaterial, das musikalisch auf das visuelle Spiel der Figuren trifft. Trotzdem sind Texte häufig die Grundlage meiner Kreationen, mit „tausend Armen herangelockt“ und am Ende nicht immer hörbar.
Und natürlich Stille. Die stumme Theaterfigur kommt dem Geheimniszustand, den ich besonders suche, am nächsten.
Lyrik statt Drama
Von den drei literarischen Gattungen Lyrik, Epik und Dramatik scheint mir die Lyrik eine besonders geeignete Grundlage für Figurentheater zu sein.
Hier erzählen Form und Inhalt gemeinsam, was eine Idealvorstellung von Figurentheaterinszenierungen für mich darstellt. Existieren die Theaterfiguren doch in einer anderen Wirklichkeit und erzählen durch Rhythmus, Bildlichkeit und Form von anderen Welten: Träumen, Erinnerungen, Visionen.
„Die Poesie steht dem Ideal der Surrealisten, der écriture automatique, am nächsten. Sie schöpft stark aus dem Unbewussten und Halbbewussten, aus Bildern, Träumen – aus einem inneren Urwissen. Poesie ist die denkbar radikalste und persönlichste Äußerung von Literatur. Poesie ist Neuland! Gerade das ist die Qualität!“1
Gilt nicht...