Biografie, ein Spiel
von Falilou Seck
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Ich stand am Rande eines Fußballplatzes in Bonn und habe meinen Neffen angefeuert, als mich der Anruf von Shermin Langhoff erreicht hat. Ob ich im kommenden Jahr, mit dem Beginn ihrer Intendanz am Gorki, fest ins Ensemble wechseln möchte? Ich habe mich wahnsinnig gefreut, und mit diesem Gefühl bin ich 2012 zum Theatertreffen nach Berlin gefahren, wo wir mit Lukas Langhoffs Inszenierung von Ein Volksfeind eingeladen waren. Ich habe nicht alle Archive gewälzt, aber es war wohl ein Novum, dass ein afrodeutscher Schauspieler in einer solchen Hauptrolle dort auftritt. Mir kam es bereits vor wie der Startschuss für den Neuanfang in Berlin.
Was ist für Sie schockierender – die Tatsache, dass ich Schwarz bin oder dass mein Großvater Nazi war? Diese Frage stelle ich in der Inszenierung Gorki – Alternative für Deutschland? von Oliver Frljić. Ein Markstein für mich am Theater, denn zum ersten Mal bin ich mit meiner Biografie, mit einer Geschichte, die aus meinem privaten Leben schöpft, auf die Bühne gegangen. Eine Art des Erzählens, des performativen Theaters, die Yael Ronen und auch andere Regisseurinnen und Regisseure am Gorki zuvor schon entwickelt, weitergedacht, perfektioniert hatten. Bereits unser Aufschlag 2013 mit dem Kirschgarten in der Regie von Nurkan Erpulat...