Theater der Zeit

Look Out

Virtuoser Rebell

Der Schauspieler Johannes Kienast ist der lang gesuchte Aufrührer im Jugendstilplüsch des Staatstheaters Cottbus

von Gunnar Decker

Erschienen in: Theater der Zeit: Peter Kurth: Die Verwandlung (09/2016)

Was wäre die Kraft ohne Kraftgebärden? Nicht mehr so pubertär, nicht mehr so wildwüchsig, nicht mehr so à la James Dean – also halb so faszinierend. Der Hamlet am Cottbuser Staatstheater (Regie Mario Holetzeck, siehe auch S. 44) stürmt so ungebremst über die Bühne, als wollte er in einem Casting zu „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ beweisen, wie gefährlich er ist. Er scheint absolut unberechenbar und rücksichtlos.

Johannes Kienast ist 30 Jahre alt und seit vier Jahren im Cottbuser Ensemble. Trotzdem besteht er darauf, dass er noch ein „ziemliches Kind“ sei. Hamlet als Figur, oder besser als Haltung zur Welt, sei ihm keineswegs fremd. „Hamlet setzt alles auf null“, sagt er. Zwingt alle unter seinen Willen und hat doch zugleich eine ungeheure Lebensangst, die er auftrumpfend verbirgt. Welch ein Narziss – und Kienast stellt ihn als solchen in den kommenden drei Stunden brutal bloß.

Kienast hat sich seinen Ruf als virtuoser Rabauke mit Sinn für Slapstick und unerwartete Momente des Stillstands, in denen die Wahrheit als Schmerz aufscheint, auf so triumphale Weise erarbeitet, dass inzwischen nicht wenige Zuschauer vor allem wegen ihm ins Theater kommen. Kienast ist der lang gesuchte Misston in der rotplüschigen Jugendstilpralinenschachtel, als die...

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