Andrej Platonow ist der literarische Chronist der frühen Jahre der Sowjetunion. Er wurde 1899 geboren, mit 13 Jahren verließ er die Schule, begann zu arbeiten und Gedichte zu verfassen – ein schreibender Vertreter der Arbeiterklasse, der sich alsbald den Bolschewiki anschloss. Zu deren Politik nahm er eine eigene Haltung ein: Die Neue Ökonomische Politik betrachtete er ebenso skeptisch wie die brutale Vollkollektivierung und den forcierten Aufbau der Schwerindustrie. Das war jedoch Manöverkritik, keine Ablehnung des Aufbaus des Sozialismus. Wie sehr Platonows sozialistisches Denken ein ökologisches war, kann man in dem kürzlich im Quintus Verlag erschienenen Band „Dshan oder Die erste sozialistische Tragödie“ nachlesen. Er versammelt Prosa, Essays und Briefe, herausgegeben wurde er von Michael Leetz. Der hat den Roman „Dshan“ ins Deutsche übertragen, in unzensierter Fassung. Der Text wurde nach Platonows Tod nur in entstalinisierter Form veröffentlicht – obwohl der Autor selbst bei Stalin in Ungnade gefallen war. Verfasst wurde der Roman 1935 unter dem Eindruck zweier Reisen in die Sowjetrepublik Turkmenistan. Die wüsten Landschaften, der große Mangel und die teils archaischen Sitten lösten bei Platonow Befremden aus. Es geht um das Nomadenvolk der Dshan. Das Leben ist hart, der Tod gewöhnlich. Dshan ist eigentlich ein Spottwort für all jene,...