In László Földényis „Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus“ beschreibt der Autor, wie schockiert Dostojewski war, als er in der sibirischen Verbannung bei dem bewunderten deutschen Philosophen las, Sibirien sei ein Landstrich, der jenseits der Betrachtung liege. Er las also, dass er und sein Leid am Rande Europas in der Weltgeistperspektive gar nicht vorkamen. Könnte es sein, dass diese Hegel-Perspektive auf den Ural heute immer noch die vorherrschende ist?
Wie meinen Sie das mit dem Rand?
Als jenseits des Vernunftprinzips, von dem wir Westeuropäer beherrscht werden. Wenn alles vernünftig sein soll, besteht jedoch die Gefahr, dass nichts vernünftig ist. Von diesem Prinzip ausgehend, scheint da nicht auch die russische Seele im besten Falle wie eine folkloristische Marotte oder im schlimmsten Falle als etwas gefährlich Irrationales?
Dostojewski spricht ja auch vom dritten Rom. Ich glaube schon, dass der byzantinische Einfluss seit der Teilung in das Ost- und das Weströmische Reich fortwirkt und wir darin Partei sind. Demokratie ist natürlich auch nur eine bestimmte Herrschaftsform. Unser Demokratiebegriff hat mit Volksherrschaft nicht so sehr viel zu tun, wir haben juristisch unsere Rechte auf Stellvertreter delegiert. Insofern hat die Zeit, in der wir leben, auch etwas Oligarchisches. Alles das, worauf...