Die Geburt des Theaters aus der Demokratie
Die Antike auf den Bühnen des Theaters Altenburg Gera
von Ulrich Sinn
Erschienen in: 150 Jahre Theater Altenburg (04/2021)
Das Theater der Neuzeit geht bekanntlich auf eine Entwicklung zurück, die ihre Anfänge im antiken Griechenland hatte. Entscheidende Impulse gingen im späten 6. Jahrhundert v. Chr. von Athen aus. Damals gab sich die Stadt eine neue Verfassung, die der Bürgerschaft, dem Demos, erstmals die aktive Mitwirkung (Demokratie) an der politischen Willensbildung ermöglichte. Diese neue Grundordnung stellte für die Bürger eine gewaltige Herausforderung dar. Gefordert war nun die Bereitschaft zur Übernahme von Mitverantwortung für das Wohlergehen der Stadt.
In dieser Situation wurde ein großes Fest zu Ehren des Dionysos ins Leben gerufen. In Athen stand er als Vegetationsgott, als Garant des jährlichen Kreislaufs der Natur und damit des zeitlosen Fortbestands menschlichen Lebens von Generation zu Generation in hohen Ehren. Während der unwirtlichen Wintermonate, wenn die Natur wie erstorben scheint, huldigten ihm die Athener in tänzerisch dargebotenen hymnischen Gesängen mit szenischen Einlagen. In seinem neuen jährlich im Frühjahr begangenen Fest wurden diese „Stegreifspiele“ durch anspruchsvolle Dramen ersetzt. Ihre Themen entnahmen die Dichter der den Bürgern geläufigen Mythologie. Dabei bereiteten sie die Stoffe jedoch gezielt so auf, dass sie unübersehbar auf aktuelle gesellschaftliche und politische Herausforderungen Bezug nahmen. Die Bürger Athens empfingen diese Botschaften ganz unmittelbar, denn sie selbst agierten...