Editorial
Erschienen in: ixypsilonzett: Residenzen: Freiräume des Theatermachens (03/2013)
Vom Theater machen ist immer mal wieder die Rede. Aber wie macht man Theater, wer sind die Macher und was machen die? Was braucht es zum Machen? Wie steht es in unseren Theatern um die Machbarkeit? Theatermacher sind Künstler, sie schreiben Texte, komponieren Musik, inszenieren Stücke, spielen Rollen, gestalten Kostüme und Bühnenbilder. Das machen sie im Stadttheater, an dem sie engagiert sind. Sie haben ein paar Wochen, um etwas zu machen. Dann kommt es zur Aufführung. Und so weiter. Freie Theater nehmen sich manchmal mehr Zeit. Denn eine Idee macht noch keine Performance und das ist ein Prozess. Im besten Falle geht es gut. Dann kommt es zur Aufführung. Siehe oben.
Und all das geht in Deutschland nur, weil die Gesellschaft es möglich macht. Mit öffentlichen Mitteln, den Steuer- und Eintrittsgeldern der Bürger. Noch besteht Konsens, dass damit Theater gemacht werden darf. Gesteht man aber auch den Theatermachern die Lizenz zum Scheitern zu? Denn Theaterkunst ist nicht maschinell zu machen und schon gar nicht am Fließband, sie wird von Menschen ausprobiert und verworfen, sie wird recherchiert und dokumentiert, sie wird entwickelt und weiterentwickelt. Am Ende steht ein Produkt, nicht immer ist es schon gelungen, manchmal verschwindet es auch schneller vom Spielplan als es entstanden ist. Manche Projekte brauchen länger, manche Macher größere Freiheiten, mancher ein Leben lang immer mal wieder neue Impulse. Dafür gibt es ein kulturpolitisches Instrument: Die Künstler-Residenzen. Für das Machen ohne Verwertungsdruck, für das Machen im geschützten Raum, für das Machen ohne finanziellen Sorgen. Zumindest vorübergehend.
Es gibt Stadtschreiberstellen, Stipendien und Programme für den „Artist in Residence“. Es gibt die Villa Massimo in Rom und die Villa Aurora in Los Angeles, die Akademie Schloss Solitude in Stuttgart und das Künstlerhaus Balmoral in Rheinland Pfalz, das „Flausen“-Projekt des Theaters Wrede in Oldenburg und den Autoren auf einer Dramaturgenstelle am Jungen Schauspielhaus in Zürich. Denn auch die Kinderund Jugendtheatermacher brauchen mal Muße.
In Zeiten knapper Kassen scheint das vergessen zu werden. Die Produktivität zählt, Kennzahlen sind das Ziel, kulturelle Bildung und partizipative Projekte verschleißen das Personal, das immer weniger wird und immer mehr zu tun hat. Die Freiheit der Kunst ist im Grundgesetz verankert und wenn das ernst gemeint ist, dann müssen auch die Theatermacher mal machen können, wie sie wollen. Dass man das alles auch selbst in die Hand nehmen kann, das zeigt das Theater Pilkentafel aus Flensburg, derzeit im französischen Chambery – ein Haustausch zum Austausch. Ein schönes Beispiel, auch dafür, wenn demnächst die Theaterpolitik endlich einmal reformiert werden sollte. Kinder- und Jugendtheater bedürfen der Förderung, in Produktion, Distribution und Rezeption – aber eben auch in der Kreation: Mit Künstler-Residenzen für Theater-Macher.
Post Skriptum. In eigener Sache. IXYPSILONZETT. Ihr Magazin für Kinder-und Jugendtheater feiert Silberjubiläum. Dies ist die 25. Ausgabe. Wer hätte das gedacht? 25 mal die Streitschrift des großen Theaters für kleine Zuschauer. 25 mal das Kampfblatt für eine Kulturpolitik wider den Kinderteller (halber Preis und halbe Portion), 25 mal „Fokus“, „Spiegel“ und „Zeit“ für eine internationale, interdisziplinäre und interkulturelle Landschaft der dramatischen Kunst für ein junges Publikum. Weiter so? Wir ändern uns!
Wolfgang Schneider