2. Die Vertreibung des Hans Wurst
Erschienen in: Eine Puppe packt aus – Dokumentarroman (07/2023)
Ich bin zwar äußerlich ein verwunschener Bär, aber innen drin, im tiefsten Herzen meines Handpuppendaseins, da bin ich Kasper, Scharlatan und Eulenspiegel. Viele Jahre, bevor der Puppenspieler mich in Besitz nimmt, stecke ich auf dem Hals dieser leeren Weinflasche.
Ich gehöre dem großen Bruder des Kleinen und wohne in dessen Zimmer. Die Flasche gibt mir Rückhalt und Sicherheit. In dieser Zeit fühle ich in mir eine unendliche Leere. Ich bin sprachlos. Keiner spielt mit mir. Das stimmt nicht ganz, ein bis zweimal im Jahr kommt Jonas heimlich ins Zimmer geschlichen. Natürlich nur, wenn Manuel außer Haus ist. Er schaut mir tief in die Augen und versucht erfolglos, mich mit seinen kleinen Patschehändchen zu streicheln. Einmal wird er übermütig, nimmt sich einen Hocker und reißt mich von meinem Sockel. Er kriecht mit der Rechten in meinen Körper, doch sein Zeigefinger ist viel zu mickrig.
Mein Kopf knickt zur Seite, der Zwerg kann mir noch kein Rückgrat geben. Ich genieße es trotzdem, frage mich allerdings immer öfter, ob Merlins Prophezeiung vielleicht doch nur eine Finte ist, ein übler Schabernack des weisen Mannes oder eine erneute Prüfung des Schicksals.
Seit über zweihundertfünfzig Jahren bin ich verflucht, verflucht von dieser verdammten Neuberin, verflucht mit...