Thema
Migration, Einwanderung und rechter Terror
Zu den Konjunkturen rassistischer Mobilmachung gegen die Gesellschaft der Vielen
Erschienen in: Theater der Zeit: Rechte Gewalt – Esra Küçük und Milo Rau im Gespräch (04/2020)
Die Geschichte Deutschlands ist eine Geschichte der Migration. Sie ist jedoch geprägt von rassistisch motivierten Gewalttaten in West und Ost. Die Wellen rechter Gewalt reagieren jeweils auf Kämpfe der Migration, in denen um Rechte gerungen wird, etwa für das Recht auf Bürgerschaft, auf angemessenes Wohnen, auf faire Löhne, gute Ausbildung, politische Teilhabe, kulturelle Repräsentation, und dabei gesellschaftliche Hierarchien herausgefordert werden. Rassismus ist nicht ahistorisch, sondern richtet sich gegen konkrete Versuche der Überwindung von gesellschaftlichen Exklusionsmechanismen und die damit verbundene Pluralisierung und Demokratisierung der Gesellschaft. Er zieht sich zwar kontinuierlich durch die Geschichte, kann aber nur in seiner jeweiligen historischen Spezifik begriffen und überwunden werden. Allen Rassismen ist gemein, dass sie in ihrer Dynamik einer bestimmten Konjunktur im öffentlichen Diskurs folgen. Die verschiedenen Formen der Gewalt unterscheiden sich sowohl in ihren ideologischen Begründungen, Anlässen und Planungen als auch darin, ob und wie sie von staatlichen Stellen sanktioniert werden. In jedem Fall sind sie eine Realität, mit der alle Eingewanderte aus dem europäischen wie globalen Süden, schwarze Deutsche, Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti konfrontiert sind.
Bereits in den 1950er Jahren fanden gruppenbezogene Gewalttaten gegen die ersten sogenannten Gastarbeiter statt, mit teilweise tödlichen Folgen. Diese Angriffe waren Ausdruck und Ergebnis der...