Abschied von der Unverbindlichkeit – oder: Für ein Theater von morgen
von Melanie Mohren und Bernhard Herbordt
Erschienen in: Im Schatten der Zahnradbahn Vol. 2 – Theater Rampe 2013 – 2023 (04/2023)
Ein Abschied, den wir erfahren haben, begann vor zehn Jahren. Er dauert noch an, ist nicht an einzelne Personen gekoppelt, wird aber nur durch sie verwirklicht. Dieser Abschied könnte eine andere Form, Theater zu produzieren und herauszufordern, begründen. Mit Theater meinen wir hier die Kunstform und die Institution gleichermaßen. Die Rede ist hier vom Abschied von der Unverbindlichkeit. Dessen Geschichte geht so:
Was wäre, wenn eine ganz neue Theaterinstitution nicht durch künstlerische Praktiken befragt, sondern durch sie erst eingerichtet würde? Wenn diese Institution, durch Solidarität, Großzügigkeit und Vertrauen getragen, nachbarschaftlich verwurzelt, globale Zusammenhänge verantwortungsvoll gestalten würde? Wenn Kunst und ihre Institutionen nicht mehr in Direktionen, Verwaltungen, geschaffene Werke und Abteilungen für Audience Development sortiert, sondern kollektive Leitungssitzungen selbst öffentliche Performances wären und durch künstlerische Strategien neue Formen der Kollaboration zwischen allen Gewerken und Öffentlichkeiten initiiert würden?
Lange schienen diese Fragen bloß Spekulationen Einzelner – z. B. im Rahmen von experimentellen Werkstatt- und Performanceformaten im wahrscheinlich einzigen Theater mit Zahnradbahn – angeregt zu haben. Morgen aber wird nun ein erstes hybrid und dezentral organisiertes Theater seine vielen Türen geöffnet haben. Es wird erst durch die Besucher:innen selbst aktiviert worden sein. Es wird online wie on site gleichermaßen besuchbar sein. Es wird...