Es geht nicht um Metaphern
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Elisabeth Bronfen
Ich würde jetzt mal kühn behaupten: Während die Kritik am Realismus in den fünfziger und sechziger Jahren subversiv war – weil man damals den Realismus als herrschenden Code verstanden hat: als das Reale, Wahre, Normale – so leben wir heute in einer Welt, in der es normal ist, ein Bild nur noch als Zeichen wahrzunehmen. Wir vertrauen der Idee des Referenten nicht mehr. Heutzutage ist die normale Einschärfung des Blicks, hinter der Oberfläche immer augenblicklich etwas anderes zu wittern und zu sagen: Das ist ja alles verfremdet, das ist ja alles medialisiert, das ist ja alles performt. Und wenn Repräsentationskritik also die Norm ist, so wäre es subversiv, wirklich subversiv, einen neuen Realismus einzuführen und zu sagen: Nein, ich meine es wirklich genau so, wie ich es sage. Es geht nicht um Metaphern. Es geht um genau das, was ich hier benenne.
Elisabeth Bronfen in einem Telefongespräch mit Milo Rau, geführt im September 2011 in New York.