Bericht
Wellen des Utopisch-Kollektiven
Wie die Theaterformen 2023 in Hannover einen weiteren Schritt zu einem wirklich inklusiven Festival gehen
von Theresa Schütz
Assoziationen: Freie Szene Niedersachsen
Erschienen am 25.7.2023
Seit zehn Jahren verfolge ich die Theaterformen, die abwechselnd in Braunschweig und Hannover stattfinden, nun schon in schreibender Kritikerinnenposition. Und ich stelle auch in diesem Jahr wieder fest, dass dieses Theaterfestival nicht nur aufgrund des alljährlich exzellent kuratierten Aufführungsspektrums zu meinen Herzensfestivals gehört, sondern auch, weil es spätestens mit der Leitung von Martine Dennewald (2015-2019) zu einer beispielgebenden Institution für die vorbildliche Implementierung prozessualen strukturellen Wandels im Kulturbetrieb wurde. Begonnene Dimensionen machtkritischen, diskriminierungssensiblen, feministischen und nachhaltigen Kuratierens setzen sich auch unter der Leitung von Anna Mülter fort, die in Hannover nun ihre dritte Festivalausgabe verantwortete.
Die kuratorische Handschrift Mülters zeigt sich insbesondere an ihrem bereits langjährigen, aktivistischen Engagement für Barrierefreiheit, Ableismuskritik und die verstärkte Sichtbarmachung – und damit zugleich angestrebte Selbstverständlichkeit – von internationalen Künstler:innen mit Behinderung im Programm. So rückt neben die präsentierte Vielfalt von Aufführungsformen, welche inzwischen ja im Grunde für alle Festivals kennzeichnend ist, eine verstärkte Auseinandersetzung mit jenen problematischen und von Betroffenen vielfach zurecht als gewaltvoll empfundenen, normierenden und normativen Wahrnehmungsweisen auf und von Körpern, in deren (Re-)Produktionsprozesse Tanz- und Theaterinstitutionen immer schon verstrickt sind.
Formen der Behinderungen sollten in einer zukunftsfähigen, sozial nachhaltigen Gesellschaft eben gerade nicht mehr als markierte Abweichung (zur Norm), als Andersheit...
Erschienen am 25.7.2023