17.2 Absichtlich schlecht spielen
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Wir brauchen also, um Improtheater zu spielen, den Mut, Szenen und Charaktere mit teilweise groben Strichen darzustellen. Das manchmal unterschwellige, manchmal explizite Versprechen „Wir spielen alles“ legt die Latte aber ziemlich hoch: Wir spielen den Sicherheitsberater eines amerikanischen Präsidenten, wir improvisieren ein Madrigal im Stil von Palestrina oder eine Satire auf Geschlechterbeziehungen, wir erschaffen einen zweistündigen Vierakter, der im Polen der 1920er Jahre spielt, wir erzählen kirgisische Märchen und tanzen improvisierend im Stil von Pina Bausch. Diese Anmaßungen lassen sich nur mit Mut und Behauptung einigermaßen erfüllen. Natürlich werden wir immer wieder mal scheitern, aber das Publikum liebt unseren Mut, dieses Scheitern in Kauf zu nehmen.
Problematisch wird es, wenn wir das Lachen des Publikums als Messlatte für unser Spiel nehmen. Das Publikum lacht gleichermaßen über den Mut des Scheiternden als auch über die gelungene Komik der Szene. Das Lachen übers Scheitern ist aber schneller zu erzielen, nämlich einfach indem wir billig spielen. Der Mut des Impro-Spielers, auch das Grobe, Unfertige hinzunehmen, wird dann umgewandelt ins klamottenhafte Gagging, ins absichtlich schlechte Spielen. Wir spielen absichtlich schlecht, wenn wir:
•Figuren dümmer anlegen als nötig,96
•Emotionen und Reaktionen überzeichnen,
•bewusst schlecht singen oder tanzen,
•Storys und Szenen für einen Gag opfern,...