Die Autobahnen der Kultur und der Erlkönig – Theater für alle und keinen
Erschienen in: Kampnagel Hamburg. 40 Jahre Widerspruch – Workbook zum Jubiläum (07/2024)
Assoziationen: Hamburg
Viel verknüpft mich über alles Professionelle hinaus mit Kampnagel. Ich werde, auch deshalb, diesen Text mit einigen persönlichen Erinnerungen beginnen, die zur Anfangszeit von Kampnagel in den 1980ern und zur Anfangszeit meiner Professur in Hamburg 2009 führen, um dann über das Haus in seiner heutigen Erscheinung nachzudenken – über das Glokaltheater, die Autobahnen der Kultur und den Erlkönig. Aber der Reihe nach.
1. Im Schatten der Abrissbirne
Es war vermutlich im Jahr 1985, dass ich das erste Mal die Kampnagelfabrik betrat. Es war eine kleine Insel, auf der die großen Tendenzen, die damals, Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, erkennbar, aber noch lange nicht auf die späteren Begriffe gebracht waren – postdramatisches Theater (Lehmann), Visual Dramaturgy (Arntzen), performative Wende (Fischer-Lichte) –, zu sehen waren, zum ersten Mal. Es war einer der wenigen Orte inmitten einer ebenso beeindruckenden wie das Neue erdrückenden Theaterlandschaft, an dem man in Deutschland das verfolgen konnte, was sich in weiten Teilen der Welt – nämlich, wie man von heute aus sieht: in den privilegierten, in Europa, Japan und den USA – im Theater der sechziger bis achtziger Jahre neu entwickelt hatte.
Doch im gleichen Maß, wie dieser Ort anders und ungewohnt war, war er auch...