22.3 Szenisch denken
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Früher oder später landen Gruppen in Szenen, die sich immer wieder ähneln. Und es dauert eine ganze Weile, bis man das bemerkt. Um aus diesem Sumpf herauszukommen, ist es nötig, mit „szenischem Auge“ durchs Leben zu gehen: Statt sich im Bus über eine Mitreisende zu ärgern, die gerade lauthals per Telefon ein Streitgespräch mit ihrem Freund führt, kann man auch versuchen, sich genau diese Szene auf der Bühne vorzustellen. Eine anstrengende Weihnachtsfeier, ein seltsames Interview im Radio, eine bizarre Kundin im Elektronikmarkt, ein moralisches Dilemma – all das kann unsere Phantasie in Anspruch nehmen.
Vielleicht wird die eine oder andere Figur tatsächlich eines Tages auf der Bühne landen, vielleicht wird eine Szene durch unser reales Erlebnis inspiriert. Entscheidend ist, dass wir im Alltag unser szenisches Denken trainieren, dass wir immer wieder mal eine Subroutine laufen lassen, die unseren Instinkt für Szenen und Charaktere schärft.