Sexualität: ein „Furchtzentrum“
Erschienen in: Recherchen 123: Brecht lesen (06/2016)
Dieser Vortrag wird sich nicht der biographischen Seite des Themas Sexualität bei Brecht widmen. Es gibt darüber inzwischen eine erhebliche Literatur, auch Filme (u. a. von Jutta Brückner), doch hege ich eine Abneigung gegen den Effekt der Medienkultur, dass auch in dieser Debatte das Interesse an der Persönlichkeit sich in einer zerstörerischen Weise nicht nur vor das Werk, sondern sogar an dessen Stelle setzt. Warum aber sollte sich unser Interesse überhaupt darauf richten, ja warum sollte es uns überhaupt etwas angehen, ob ein gewisser Augsburger namens Brecht etwas mehr oder etwas weniger male-chauvinistisch gewesen ist, im persönlichen Umgang mit Frauen und Männern mehr oder weniger anständig, ob er in einer Geldgesellschaft auf Geld aus war, ob er Bekanntschaften unter Gesetze der Opportunität stellte usw.? Es interessiert uns einzig und allein, weil es diese Texte gibt, die von ungezählten Lesern und Zuschauern, Männern und Frauen, als so interessant empfunden wurden, dass der Name Brecht einen oberen Platz in der Geschichte des Welttheaters und der Weltliteratur einnimmt.
Am Ende des Galilei liest Virginia ihrem Vater Galilei aus dem Montaigne und er kommentiert die Sätze kurz, aber dann liest sie: „Der Mensch ist ein Schatten, wer will über ihn urteilen, wenn die Sonne...