In den neunziger Jahren war Enrico Lübbe Assistent von Intendant Wolfgang Engel. Wenn er eilig mit dem Taxi vom Bahnhof zum Schauspielhaus wollte, gab er als Fahrtziel „Diskothek“ an, eine stadtbekannte, etwas anrüchige Lokalität direkt neben dem Schauspielhaus. Die kannten alle Taxifahrer. „Schauspielhaus“ erforderte dagegen oft längere Erklärungen. Kann der neuen Spielstätte Diskothek des Schauspiels Leipzig, am Ort des einstigen Vergnügungstempels, das nun auch gelingen?
Neben dem Schauspielhaus liegt also die Diskothek, auf der anderen Seite das Café Pilot. Dort treffe ich mich mit dem Intendanten Enrico Lübbe. Halb Szenecafé, halb Theaterkantine mit einem Hauch von offener Werkstatt in der Luft. Das ist es, was Leipzigs Schauspiel derzeit seine besondere Atmosphäre gibt. Die homogene Nachwendezeit ist vorbei, es gibt ein neues, vielgestaltiges Selbstverständnis der Theatermacher wie auch der Zuschauer, unterschiedlichste künstlerische Handschriften und ein urbanes Klima. Leipzig ist längst ein Schmelztiegel. Man ist unterwegs, ohne genau zu wissen wohin, aber eines ist dabei gewiss: Einfache Antworten reichen nicht, bloße Wahrheitsverwaltung versagt an diesem Ort.
Fragen des Woher und Wohin in einer Stadtgesellschaft brauchen Zeit. „Angst oder Liebe“ lautet das Spielzeitmotto. Man umkreist, so Lübbe, das Thema der Identität. Das Format der Diskothek ist nicht neu am Haus, nun aber liegt...