15.1 Produkt oder Prozess
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Als ich neun Jahre alt war, spielte ich manchmal am Sonntagmorgen mit meiner vierjährigen Schwester Freibeuter Klaus Störtebeker und Gödeke Michels. Während unsere Eltern schliefen, plünderten wir die Paläste der Reichen (holten uns Frühstückszutaten aus der Küche) und versteckten uns in unserer Höhle (unter dem mit Bettlaken verhangenen Tisch), wo wir unsere „Beute“ verspeisten. Alles musste still und schnell passieren, denn natürlich waren die Piraten ständig kurz davor, erwischt zu werden. Mehr noch als ich selbst ging meine Schwester in diesem Spiel völlig auf. Und wenn irgendwann unsere Eltern aufstanden und dadurch die reale Welt in unser Spiel einbrach, war es, als wachte sie aus einem lebhaften Traum auf.
Als Erwachsene laufen wir Gefahr, dieses Einswerden mit dem eigenen Tun zu verlieren. Denn überall lauern Ablenkungen, die uns von unserer Tätigkeit trennen. Wir sind teilweise geradezu süchtig nach Ablenkung, dass sich mit App-Benachrichtigungen, Games, Tweets, Facebook, Instagrams, Messengern eine ganze Industrie darum entwickelt hat, uns vom Eigentlichen abzuhalten. Wir suchen sogar Ablenkung im Scheinproduktiven – permanentes Prüfen von E-Mails und anderen Nachrichten, sinnlose Meetings, überlange Telefonate usw. Aber letztlich liegt es weniger an den externen Faktoren, sondern daran, wie unser Inneres, unsere Psyche damit umgeht. Unser Geist springt allzu leicht...