Der Fährmann, in seiner Allwetterkleidung wie ein venezianischer Gondoliere eine Todesbarke steuernd, lässt Nikodim Stavrev stehen. Umsonst ist die Fahrt ins Totenreich keineswegs, wir leben schließlich nicht im Kommunismus! Wobei „leben“ in der deutschen Erstaufführung von „Eine heikle Sache, die Seele“ eine inkorrekte Bezeichnung für den Übergangszustand ist, in dem sich der bulgarische Bauarbeiter Stavrev befindet, dem überraschend etwas Schweres auf den Kopf fiel, was sein Leben nicht nur grundlegend änderte, sondern auf einen Schlag beendete. Konnte er das denn ahnen? Also nichts übereilen, erst recht nicht, wenn man schon tot ist und sich die Freunde noch von einem verabschieden wollen.
Wir haben am Theater Rudolstadt in der Regie von Herbert Olschok zwei Stunden lang Zeit für die Totenwache des Bauarbeiters Nikodim Stavrev. Ein Ritual, das von der Ordnung zeugt, in der Leben und Tod zueinander stehen. Aber in diesem Stück von Dimitré Dinev löst sich die Ordnung in dem Maße auf, wie man die Trauer mit Alkohol und immer mehr Alkohol in das zurückverwandelt, was sie wohl im Grunde ist: der Versuch der Seele, etwas festzuhalten, was nicht festzuhalten ist. Schließlich folgt das langsame Kapitulieren vor der Tatsache, dass ein Toter die Seiten gewechselt hat: Er gehört nicht mehr...