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Musik: Am Rande der Milchstraße
Erschienen in: Theater der Zeit: System startet neu – Über den Einbruch der Performance in die Oper (11/2014)
Kaum sind die Klänge, Geräusche und Debatten der Donaueschinger Musiktage verrauscht, ruft bereits Wien Modern, eins der größten Festivals für Musik der Gegenwart in Europa. Das Treffen unter der künstlerischen Leitung von Matthias Lošek kultiviert einen weitaus offeneren Begriff von zeitgenössischer Musik als üblich: Performance, Noise-Konzerte, Film, Theater und bildende Kunst sind bei Wien Modern immer mit im Boot. Schwerpunkt heuer, wie die Österreicher sagen, ist denn auch ein neues Musiktheater-Format, eine siebenteilige Sitcom-Oper, die sich genregetreu in einem Guckkasten mit Sofa abspielt. Titel: „Das Leben am Rande der Milchstraße“. Der Plot lässt eine Bürokratiepersiflage erwarten: Ein in der Alpenrepublik angesiedeltes „European Bureau for Future“, das projektorientiert an einer „Weltraummüllabfuhr“ und einem „Armutsverbotsgesetz“ arbeitet, wird zwecks Qualitätssteigerung von Brüssel aus evaluiert, und zwar von einem toughen Beamten, dessen Name Leo Maria Bloom an James Joyces „Ulysses“ erinnern soll. Der Komponist Bernhard Gander, dessen Unterarm-Tattoos von einer bewegten Heavy-Metal-Vergangenheit künden, hat dazu eine Musik für Kammerensemble und Vokalsolisten geschrieben, die auch schon mal Wagner, Beethoven und die Europahymne anklingen lässt. Mit der viel diskutierten Rolle der Neuen Musik im Film beschäftigt sich die Reihe „on screen“ – die Verbindung reicht von manipulativen Töne-der-Angst-Klischees bis hin zu Hanns Eislers eher kontrapunktischen Filmmusik-Konzepten....