1. Kapitel
Erschienen in: Die Rampe oder An der Lethe wachsen keine Bäume (06/2013)
Kramer bricht früh am Morgen auf. Die breit gefächerte Nacht vergeht. Der Nebel liegt starr auf den Wiesen, nur an seinen Rändern löst er sich auf und beginnt aufzusteigen, sobald sich Wind regt. Es ist kalt. Die Maulwurfshaufen haben scharfkantige Furchen, in denen der Frühjahrsfrost liegt. Der Winter war lang, und noch vor wenigen Wochen lag Froststarre über dem Land.
Als er das Haus verlässt, bleibt er auf der Treppe stehen, atmet die kalte Luft tief ein, die sich langsam in seiner Lunge verteilt und ein wohliges Gefühl erzeugt.
Erst kurz vor der Abreise teilte man ihm den Namen des Dorfes mit. Er suchte nach dem Ort auf der Karte und fand ihn nicht weit entfernt vom Meer. Die meisten dieser Dörfer verströmen eine in Lehm und Stein gehauene kleinbürgerliche Langeweile.
Kramer kennt die Menschen am Meer. Sie sind verschlossen, aber bodenständig, und besitzen eine Portion Sturheit, die an Selbstherrlichkeit grenzt. Das Leben mit der Gefahr, die vom Meer ausgeht, hat sie tatkräftig gemacht und der weite Blick freier; ob ihm diese Menschen dort begegnen werden, weiß er nicht.
Er geht freiwillig in das Dorf, er will etwas bewegen, etwas leisten, nicht dem Alltagstrott verfallen, er ist ein Getriebener, ein...