Bericht
Plattenstufen-Festspiele für die Vielen
Die vierte Ausgabe des Phoenix Theater Festivals in Erfurt eroberte im August den Platz der Völkerfreundschaft – und die Kinder dann einfach die Bühne
von Anna Volkland
Assoziationen: Freie Szene Theaterkritiken Thüringen Dossier: Festivals Anica Happich glanz&krawall
Erschienen am 20.9.2024
„Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift.“ Dieses Marx-Zitat soll das monumentale, farbenfrohe sozialistische Wandbild von Erich Enge inspiriert haben, das seit den siebziger Jahren gemeinsam mit dem einst architekturpreisausgezeichneten, heute schwer baufälligen Glockenturm den Erfurter Platz der Völkerfreundschaft überragt. Die Massen dieses immer noch einigermaßen bevölkerungsreichen nördlichen Stadtteils – dank in Blöcken gestapelter Wohneinheiten und Zuzug aus weltweiten Kriegs- und Krisengebieten – sind allerdings eher selbst von materieller Gewalt ergriffen: Sie besitzen wenig und eine kollektiv rettende Idee ist noch zu finden. Inspiriert da ein Theaterfestival, das sich ihnen als kostenlose und nahbare Kulturinitiative für alle anbietet, als unterhaltsames und explizit demokratisch gesinntes Programm der fahrenden, selbst nicht allzu wohlhabenden Künstler:innen? Die etwa in der Rumpel Pumpel Theater-„Show von echten Männern: Im Brandzeichen des Astronomischen Pferds“ (so der Titel) dem ziemlich begeisterten Publikum sogar Pferdeäpfel als Allheilmittel anpreisen und offen zugeben, dass die Zeiten echt beschissen sind?
Ob revolutionäre Funken sprangen oder nicht – die ersten Erfurter Plattenstufen-Festspiele haben die Massen im Rieth versammelt, Kinder und Alte, gebürtige Thüringer:innen und Menschen, die aus anderen Heimaten hierher kamen, frühere DDR-Bürger:innen und solche mit westdeutscher Sozialisation, professionelle Festivalbesucher:innen und Zuschauer:innen, die noch kaum ein Theater von...
Erschienen am 20.9.2024
