Magazin
Linzers Eck: Einer gegen den Rest der Welt
„Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen – das Stück des Jahres?
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Birgit Minichmayr – Ich bin es und bin es nicht (01/2013)
In der DDR war ja vieles einfacher. Ein Umweltaktivist war ein potenzieller Staatsfeind, die Berliner Umweltbibliothek in der Zionskirche ein feindliches Agentennest, und das aus einem sehr einfachen, irgendwie plausiblen Grund: Die ohnehin marode Industrie konnte sich die sachgerechte Entsorgung ihrer umweltschädlichen Abfallprodukte nicht leisten. Verstrahlte Halden im Erzgebirge, dicke Luft über Bitterfeld, Badeverbote an märkischen Seen. Umweltschutz – ein Tabuthema, und so war ein Stück wie Ibsens „Volksfeind“ nicht wirklich erwünscht. Die öffentlich kaum beachtete Aufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin (mit Kurt Böwe) kam 1975 eher zu früh, die 1988 in Karl-Marx-Stadt eher zu spät. Da hatte man schon ganz andere Sorgen, und Regisseur Frank Castorf hat denn auch weniger die Qualität des Badewassers bei den Stockmanns interessiert als die „Zustandsbilder gesellschaftlicher Frustrationen, um Figuren- und Stückproblematik in die Gegenwart zu verlängern“ (TdZ 5/1988). Dr. Stockmann (der Intellektuelle) konnte seine Probleme nur noch im Suff ertragen, und sein Bruder Peter (die Staatsmacht) hätte in seiner schwarzen Nieder-Tracht auch gut einen KZ-Kommandanten abgeben können.
Kurz zur Erinnerung: Der Badearzt Dr. Stockmann entdeckt, dass das Wasser, das den Kurpatienten Heilung bringen soll, hochgradig verseucht das Gegenteil bewirkt, diese Entdeckung jedoch der Stadt statt des erhofften Wohlstands nun das...