Look Out
Figur als Fragment
Die Schauspielerin Johanna Link lotet das Potenzial zwischenmenschlicher Begegnungen aus
von Bodo Blitz
Erschienen in: Theater der Zeit: Unter Druck – Das Theater in Ungarn (04/2018)
Assoziationen: Kampnagel
Schauspiel bedeutet für Johanna Link Begegnungskunst: „Wer wollen wir füreinander sein, wer können wir heute Abend füreinander werden?“ Existenziell klingt das, gleichzeitig enorm dialogisch. Ganz grundsätzlich befragt Johanna Link dabei zwischenmenschliche Interaktion, im Leben wie auf der Bühne. Die dialogische Kraft ihres Spiels hat damit zu tun, dass sie die Adressaten ihres Spiels durchweg einzubeziehen versteht – sowohl Mitspieler als auch Zuschauer. Verteufelt human ist Links Spiel allein deshalb zu verstehen, weil der schauspielerische Entwurf eines Zusammenlebens auf der Bühne für sie ohne den Begriff der Utopie nicht denkbar ist. Spielantrieb bleibt ihr die Sehnsucht nach dem, wie es sein könnte. Ihre herausragende Fähigkeit des Staunens lässt sich hier verorten.
Zentral für Johanna Links Spiel ist der Blickkontakt. Als Amazonenkönigin in Leonie Böhms „Penthesilea“ am Theater Konstanz mustert sie bei ihrem ersten Auftritt die Reihen der Zuschauer: Wer eignet sich als ihr Partner für das Rosenfest? Eindringlich, nein: zudringlich ist dieser Blick, der das Publikum sofort und unmittelbar beteiligt. Link verfügt über die Gabe, eine von ihr eingenommene Spielweise zu brechen, dadurch auch für die Zuschauer infrage zu stellen. Das verleiht ihrer existenziellen Suchbewegung auf der Bühne Authentizität. Links Frauenfiguren fallen gerne für Sekunden aus ihrer Rolle, wechseln dabei...