Praktiken des Erinnerns. plan b: Monday Walks
von Marcus Quent
Erschienen in: Recherchen 109: Reenacting History: Theater & Geschichte (02/2014)
Gedächtnis registriert nicht schlechterdings dasjenige, was geschehen ist. Vergessen und Selektion sind nicht allein unumgängliche Prozesse individueller wie kultureller Erinnerungspraxis; insbesondere im Kontext des politischen oder auch nationalen Gedächtnisses sind Produktion und Formung – die Herausbildung einer weitestgehend einheitlichen Erzählung – wie Institutionalisierung vielmehr entscheidende Verfahrensweisen.1 An ein spezifisches Datum gebundene Feierlichkeiten – Zeremonien, Umzüge und Gedenkstunden – bilden, zumeist medial vermittelt, eine wichtige Basis für solcherart Gedächtnisarbeit.2
Diese politischen Akte der Produktion von Gedächtnis tendieren häufig dazu, Momente der Störung und Differenz auszuschließen. Zugunsten der Bildung einer geschlossenen Erzählung wird die Vielzahl individueller Wahrnehmungen und Geschichten in offiziellen Interpretationen normiert.3 Solche Verfahren zeitigen oftmals eine mehr oder minder intendierte Affirmation der gegenwärtigen sozialen, politischen und kulturellen Verhältnisse. So wurde zum zwanzigjährigen Jubiläum der Wendefeierlichkeiten 2009 in Leipzig der Bankrott des DDR-Staates einzig und allein als Vorstufe zur heutigen, als letztgültig erscheinenden, demokratischen Realität verstanden; nur in dieser Relation konnte er Gegenstand des Erinnerns werden.
Um die Identität der neuen Verhältnisse, der „neuen Zeit“, zu festigen, bedarf es der Abgrenzung und Ausschließung: der „Entscheidung, anders oder nicht mehr das zu sein, was bis dahin war“4. Mit dem Begriff der ‚Trennungsarbeit‘ liefert Michel de Certeau in...