Ein südafrikanisch-deutscher Einstieg
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Dem Prolog – ein Artikel, der im Monatsmagazin Theater heute im Februar 2015 veröffentlicht wurde – liegen erste Beobachtungen zum Themenfeld Verhandlungen von Vielfalt mit und im Theater zugrunde. Er versteht sich als eine Art essayistisch gehaltene Umkreisung des Feldes und als Versuch, aus einem südafrikanisch-deutschen Vergleich wertvolle Impulse für die Diskussion in unseren Breitengeraden zu gewinnen. Die darin beschriebenen Theaterprojekte dienen als Material, auf welches nun die folgenden Überlegungen und theoretischen Verknüpfungen zurückgreifen werden.
Noch vor dem Höhepunkt der sogenannten großen Flüchtlingskrise im Sommer 2015 hat das deutschsprachige Sprechtheater die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen der Fluchtbewegungen aufgegriffen und auf vielfache Art und Weise verhandelt. Gleichwohl verdeutlichen die Inszenierungen Die Schutzlosen in Gera und Die Schutzbefohlenen in Hamburg, dass das deutsche Stadt- und Staatsschauspiel hinsichtlich der Darstellung von Menschen anderer Kulturen vor einem Dilemma steht. Obwohl seit einiger Zeit eine inter- und vermehrt auch transkulturelle Öffnung des Theaters propagiert wird, scheinen in deutschsprachigen Theaterprojekten (neo)koloniale Muster stets noch wirkungsmächtig zu sein. Gleichzeitig wurde im Prolog insbesondere an Beispielen aus dem südlichen Afrika deutlich, welche innovativen Möglichkeiten die Kunst- und Kulturszenen entwickeln, sich dieser Hierarchien zu entledigen.
Um sich diesem Dilemma zu stellen und mögliche Potenziale des Theaters für die Verhandlung kultureller...