Theater und Demokratie
Wider die Trennung von Staat und Gesellschaft. Zum 100. Geburtstag von Helmut Ridder
von Christoph Nix
Erschienen in: Theater_Stadt_Politik – Von Konstanz in die Welt (08/2019)
I. ALTE GESCHICHTEN UND GRÜNDUNGSMYTHEN
»Schaustätte« bedeutet der auf das altgriechische Wort théatron zurückgehende Begriff »Theater«.1 Vor allem die naturalistische Theaterliteratur ging davon aus, dass es als »Spiegel der Gesellschaft« wirken könne, wenn es »Beziehungen zwischen Menschen, ihrer Umwelt und ihrer Umgebung« darstellt. »Es wirkt, indem es Zusammenhänge oder bekannte Situationen öffentlich mache, ihnen einen Ort gibt und sie zur Schau stellt. Demzufolge kann Theater unterschiedlich ambitioniert sein und verschiedensten Motivationen folgen.«2 Es kann aber auch benutzt werden von Politik oder Kommerz, von der Lust auf Unterhaltung oder ganz anders, als ein Instrument bei Teambildungen von Managern, Familienaufstellungen oder allgemein an ihrer Geschichte interessierten Menschen.
Ist Theater deshalb auch politisch? Fördert Theater gar die demokratische Idee? Gibt es einen alten Zusammenhang zwischen Politik und Theater? Im antiken Griechenland war es »nicht nur ein Ort für Feste und Zeremonien«, sondern »auch der Ort, an dem man sich zusammenfand und über Demokratie und Politik diskutierte.«3 Vor allem geschah etwas, was wir heute vermissen, inhaltliche Entwürfe von Staat und Gesellschaft wurden gefertigt und diskutiert. 458 Jahre vor Christus, mit der Erstaufführung der »Orestie« von Aischylos, wird auch die Geburtsstunde der Demokratie vermerkt.
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