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Nachruf auf Michael Ramløse, einem 68er des Kindertheaters
Erschienen in: Theater der Zeit: Henry Hübchen (02/2022)
„In Wirklichkeit sollte dieses Theaterstück für Kinder verboten sein“, schreibt der Autor im Prolog zu seinem Drama „Das 4. Gebot“, „weil es grausam ist. Aber die Wirklichkeit – die wirkliche Wirklichkeit – ist immer grausamer als das Theater.“ Der Schauspieltext ist programmatisch für die Ära eines Theaters für junges Publikum, das sich nach 1968 überall in Europa etablierte und die Förderung von Selbstbewusstsein thematisierte sowie die Forderung nach Kinderrechten propagierte. Einer der Protagonisten war der Däne Michael Ramløse, 1949 geboren, 1976 Gründer der Theaterkompanie Banden, später Leiter von Fair Play, die zu den wichtigsten Kollektiven der freien darstellenden Künste zählten und das Kindertheater mit Stücken und Inszenierungen revolutionierten.
Ramløse war künstlerisch, vor allem musikalisch, aber auch kulturpolitisch aktiv. Er initiierte den nationalen Verband der Kindertheater, er organisierte eines der größten Festivals für Kindertheater und baute das Theaterzentrum der ASSITEJ in Kopenhagen auf. Auch auf internationaler Ebene setzte er als Generalsekretär jener Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche neue Akzente, gab mit seiner freundlich-verbindlichen Art und seinen ausgezeichneten Kenntnissen in neun Sprachen wichtige Impulse zum Austausch zwischen Ost und West, Nord und Süd.
Als „Botschafter des dänischen Kindertheaters“ wurde er im letzten Jahr mit dem renommierten Karl-Mantzius-Preis geehrt. Und Ramløse...