Was uns ins Gorki lockt
von Peter Eigen und Gesine Schwan
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Das postmigrantische Theater von Shermin Langhoff haben wir schon verfolgt, als die Intendantin ihre Arbeit am Ballhaus Naunynstraße zeigte. In das Kultstück Verrücktes Blut von Nurkan Erpulat führten wir viele unserer Berlin-Gäste. Am Gorki Theater hat sie dieses Konzept strategisch zum „Anfassen“ weitergeführt und zum Markenzeichen entwickelt. Wir haben viele Premieren erleben dürfen, die auf verschiedene Weise das Postmigrantische transportierten, auch über Adaptationen von Klassikern wie Der Kirschgarten oder Nora.
Man musss nicht mit allem einverstanden sein, was da vorgeführt wird, aber der Geist der Vielfalt, der systematischen Durchbrechung von Borniertheit, der Selbstreflexion und Selbstironie, des Humors und des geistreichen Witzes, der an diesem Theater herrscht, lockt uns immer wieder an. Spieler und Publikum sind sehr jung, aber auch als ältere Generation, zu der wir nun wirklich gehören, fühlen wir uns nicht ausgeschlossen, wenn wir akzeptieren, dass jede Anspielung auf der Bühne von ihrem generationellen, sozialen und kulturellen Kontext lebt und auch nur dann verstanden werden kann. Es macht uns Spaß, unsererseits dazu soziale Beobachtungen machen zu können.
Vor allem aber gefällt uns der konsequente Versuch, Vorurteile zu erkennen und zu überwinden, auch die unvermeidbaren eigenen, die mit dem Konzept des postmigrantischen Theaters verbunden sein können. Dass konsequent politisch...