Epilog
von Anne Fritsch
Erschienen in: Theater unser – Wie die Passionsspiele Oberammergau den Ort verändern und die Welt bewegen (04/2022)
Während ich dieses Buch geschrieben habe, ist die Welt eine andere geworden. Sie hat eine Pause gemacht und sich klammheimlich ein paar Runden zurückgedreht. Jahrhundertealte antisemitische Erklärungsmuster wurden von selbsternannten „Querdenkern“ wiederbelebt, alter Hass neu geschürt. Zunächst ist die Welt in der Bedrohung scheinbar näher zusammengerückt, denn auf einmal hatten alle die gleichen Probleme (und keine Lösung). Arme Länder und reiche, nördliche, südliche, westliche und östliche. Die ganze Welt befand sich im Lockdown. Sehr schnell aber traten auch die Unterschiede zutage. Wie gut oder schlecht ein Land mit der Pandemie zurechtkam, sagte viel aus über dessen Strukturen und Möglichkeiten, auch über die Verteilung von Ressourcen. Wie wissenschaftliche Erkenntnisse angenommen oder eben geleugnet wurden, viel über das Wesen der Menschen.
Die Corona-Pandemie hat länger gedauert, als die meisten es sich im Frühjahr 2020 hätten vorstellen können. Weil ihnen die Erfahrung fehlte, was ein aggressives Virus in einer global vernetzten Welt anrichten kann. Als ich den Prolog schrieb, hatten die Schulen und die Theater gerade ein paar Wochen geschlossen, und das kam einem lange vor. Naiv rechnete ich (und nicht so wenige andere, mit denen ich gesprochen habe) damit, dass nach diesen Wochen eine Rückkehr zur Normalität möglich wäre. Die Oberammergauer waren...