Ursprung des Schöpferischen
Eine Betrachtung zu Dore Hoyers Gruppentanz-Zyklus „AN KÄTHE KOLLWITZ“
von Peter Palitzsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Über den Surrealismus (01/1947)
Assoziationen: Theaterkritiken Tanz
Betroffen von dem Werk Käthe Kollwitz’ sucht der Angerufene mehr zu erfahren über den Menschen, der es schuf. Er sucht den Weg nachzugehen, der zu solcher Vertiefung führte; es treibt ihn, die Wurzeln des Werks bloßzulegen. So findet er zu Briefen, den einfachsten, aber zugleich menschlichsten Zeugnissen. In anderer, verborgenerer Form spricht sich hier das Werk an; aber der Aufmerksame ist weniger berührt. Denn hier zeugt aus den täglichen Begebenheiten und Verrichtungen, an denen unser Leben so leicht ermüdet oder verbiIlert, die reine Stimme eines großen Menschen. Und er empfindet, wie sehr das Werk nur die Summe, die äußerste Verdichtung des Lebensweges ist.
Dem gleichen Drang entsprang es, wenn ich dankbar wahrnahm, dem Schaffensprozeß selbst, soweit er überhaupt sichtbar ist, bei dem Entstehen eines Tanzwerks beiwohnen zu dürfen. Dore Hoyer hat ihren Gruppentanz-Zyklus Käthe Kollwitz gewidmet. Während ich also dem Entstehen dieses Werkes nachzutasten suchte, erhielt ich zugleich Schau in die Wirksamkeit des Lebenswerks von Käthe Kollwitz. Sie ist eine zutiefst innere; so bezieht sich die Widmung Dore Hoyers auch nicht auf thematische oder formale Anregung, die sie Käthe Kollwitz’ Graphiken entnommen hat, sondern sie ist Ausdruck des Dankes für die innere Bereicherung, die sie – und wir – immer...
