Theater der Zeit

Kurze Einführung in das Recht der Sozialversicherung

von Christoph Nix

Erschienen in: Theaterrecht – Handbuch für Theatermacher (05/2019)

Assoziationen: Recht

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Welche Formen der Sozialversicherung gibt es?

Wie kann ich mich sozial absichern?

Was soll ich tun, wenn ich arbeitslos werde?

Das Sozialrecht und das Sozialversicherungsrecht sind ein Unterfall des Öffentlichen Rechts. Sowohl BAföG als auch Wohngeld, das Arbeitsförderungsrecht und das Sozialversicherungsrecht gehören dazu. Die meisten Rechtsgebiete sind jetzt in den Sozialgesetzbüchern I bis VIII geregelt. Zur Überprüfung von Entscheidungen gibt es die Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichte, Landessozialgerichte und Bundessozialgericht), die Verwaltungsentscheidungen überprüft. Die Sozialgerichtsbarkeit hat ihre Regeln im Sozialgerichtsgesetz (SGG). Wir beschäftigen uns hier nur mit dem Recht der Sozialversicherung (Rente, Kranken- und Pflegeversicherung).

Künstlersozialversicherungen für unabhängige Künstler

Im Grunde gibt es für Bühnenkünstler zwei Möglichkeiten, sich zu versichern. Für die freien Künstler, die in der Regel mit Werkverträgen oder Dienstvertragen arbeiten, bietet sich die Künstlersozialversicherung (Künstlerkasse Wilhelmshaven) an und für abhängig Beschäftigte, für unselbstständige Künstler, also die nach NV Bühne Tätigen, ist die sogenannte Bühnenzusatzversorgung zuständig. Die Einrichtung ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, es ist die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, die aus organisatorischen Gründen bei der Bayerischen Versorgungskammer in München angegliedert ist.

Das klingt unkompliziert, ist es aber leider nicht. Denn es knüpft bei der Frage an, wann im Bühnenalltag jemand selbstständig, scheinselbstständig oder unselbstständig ist. Es macht dem einzelnen Künstler oft große Probleme, dann nämlich, wenn sich einer überwiegend privat versichert hat oder froh ist, in der Künstlersozialversicherung zu sein, und das betreffende Theater beim Gastvertrag darauf besteht, dass es eine abhängige Beschäftigung ist, damit das Haus keinen Ärger mit den gesetzlichen Rententrägern bekommt. Wir können das Problem hier nicht lösen und nicht einmal in Gänze behandeln. Im Grunde müsste hier der Gesetzgeber eine klare gesetzliche Regelung schaffen, aber der Deutsche Bundestag hat derzeit die Künstler nicht in seinem Blickfeld.

Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7. Februar 2007 (5 AZR 270/2006) hat sich in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen. Ein Sänger am Staatstheater Kassel hatte auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geklagt und vertrat die Auffassung, es liege entgegen der Vertragsgestaltung ein festes Arbeitsverhältnis vor.

Der 5. Senat hat sich anders entschieden: Er war der Meinung, dass eine Gesamtwürdigung zu erfolgen habe, aufgrund derer er zu dem Ergebnis gelangte, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliege. Das BAG hat sich seitdem der Kritik in der Literatur stellen müssen. In der Fachliteratur gibt es die Auffassung, dass sich die sozialen Verhältnisse an den Theatern soweit gewandelt hätten, dass Selbstständigkeit die absolute Ausnahme und Abhängigkeit die Regel auch im Gastvertrag sei.

Das Bundessozialgericht (BSG) setzt sich in seiner Entscheidung (Urteil des 12. Senats des BSG vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R) ausführlich mit der Entscheidung des BAG auseinander und versucht, eine eigene sozialrechtliche Position des nicht-selbstständigen Bühnenkünstlers zu entwickeln. Dies geht aber nicht, ohne eine Gegenposition zur arbeitsrechtlichen Judikatur zu schaffen. Wir befinden uns im Zentrum der Auseinandersetzung um die Einheit der Rechtsordnung.

Bei der Frage, wie künstlerische Gäste im Theaterbetrieb arbeitsund sozialrechtlich zu bewerten sind, kommt es allein darauf an, ob sie selbstständig sind oder nicht. Arbeitet z. B. jemand auf der Basis eines Werkvertrages, so wird von Selbstständigkeit ausgegangen und es wird in die Künstlersozialkasse einbezahlt. Soweit es lediglich befristete, also Teilzeitspielverträge sind, ist die Einordnung unproblematisch: Es sind Arbeitsverträge und die Beschäftigungen damit sozialversicherungspflichtig.

Zunehmend aber wünschen sich Solisten eine freie Beschäftigung, besonders dann, wenn sie sich entschieden haben, als freiberufliche Künstler zu arbeiten und Mitglied der Künstlersozialversicherung zu werden bzw. private Formen der Altersversorgung gesucht haben. Bei der sozialen Gesamtbewertung ist dies zu berücksichtigen, aber dogmatisch gesehen ist die zentrale Norm, mit der sich das BSG zu befassen hatte, die Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV und damit die Kategorie der Selbstständigkeit.

An nahezu allen Theatern der Republik herrscht die ungeschriebene Regel, dass zwischen Probezeit und Aufführungszeit zu differenzieren ist. Bedenkt man, dass Stadt- und Landestheater in der Regel eine Abonnentenvorstellung zwischen zehn und 16 Mal spielen, so ist dies auf eine Spielzeit bezogen ein Turnus von einer bis vier Vorstellungen pro Monat. Weder den Entscheidungsgründen des BSG noch des LSG lässt sich entnehmen, zu wie vielen Vorstellungen die beigeladenen Künstler verpflichtet waren. Jedoch lässt sich erkennen, dass der Zeitraum insgesamt ein knappes Jahr umfasste. Bei der Frage der Selbstständigkeit aber hat der Senat an keiner Stelle geprüft, ob die Gage im vorliegenden Fall auch nur annähernd ausreichend war, um davon zu leben bzw. leben zu können. War dies im Umkehrschluss aber nicht so, so mussten die Künstler zweifellos an anderen Bühnen Arbeit suchen bzw. suchen können. Dies war ihnen im Arbeitsvertrag keineswegs verwehrt. Sie bedurften keinerlei Anzeige ihrer Nebenbeschäftigung, wenn sie an anderen Bühnen tätig sein wollten, anders als § 4 NV Bühne dies bei unselbstständigen Künstlern verlangt. Nach meiner Auffassung waren sie also in diesem Zeitraum selbstständig und nicht abhängig und unterlagen nicht der gesetzlichen Sozialversicherung der Bühne.

Zusammenfassung:

Ist ein Künstler ausschließlich an einer Bühne fest angestellt, ist das kein Problem. Das gilt auch bei einem Nebeneinander, wenn z. B. ein Dramaturg fest angestellt ist und nebenbei als Autor arbeitet. Es bleibt dann bei der gesetzlichen Sozialversicherung nebst Versorgungskammer.

Allerdings ist leider zu konstatieren, dass das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 20. März 2013 eine zu dieser Praxis im Widerspruch stehende Auffassung vertritt, der auch die meisten Sozial- und Landessozialgerichte folgen. Danach hat das BSG entschieden, dass aufgrund § 7 Abs. 3 SGB IV nicht nur im besagten Probezeitraum, sondern auch nach der Premiere zwischen den danach jeweils vereinbarten Terminen ein abhängiges und vor allem durchgehendes sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis besteht, soweit aufgrund der jeweils abgeschlossenen Gastverträge eine einseitige Dispositionsbefugnis des Bühnenunternehmens gegenüber dem Gastkünstler bestehe. Eine solche einseitige Dispositions- und Weisungsbefugnis wird von dem BSG insbesondere dann angenommen, wenn sich aus dem Gastvertrag ergibt, dass der Gastkünstler in den auch zwischen den Vorstellungen liegenden Zeiten kurzfristig dienstbereit und verfügbar sein muss. Dies wird von der neuen, inzwischen gefestigten Rechtsprechung der Landessozialgerichte vor allem dann angenommen, wenn beispielsweise eine Terminpriorität vereinbart worden ist und insoweit zwischen den jeweiligen Vorstellungen keine sogenannten Sperrtermine vereinbart worden sind. Als problematisch werden ferner Vertragsklauseln in Gastverträgen angesehen, in welchen das Theater einseitig die Möglichkeit hat, den Premierentermin und damit auch die Proben zu verschieben, woraus das BSG eine dauerhafte Dienstbereitschaft des Gastkünstlers ableitet.

Künstlersozialkasse

Die Künstlersozialkasse ist das wichtigste Organ der Künstlersozialversicherung. Sie ist eine Unterabteilung der Unfallkasse des Bundes und übt eine Art Vermittlerposition zwischen den versicherten Künstlern und den Leistungsträgern aus. Grundsätzlich ist sie eine soziale Errungenschaft für alle freien Künstler, denn diese müssen an die eigentlichen Leistungsträger (Kranken-, Pflege- und Rentenkassen) nur die hälftigen Beiträge zahlen und haben einen umfassenden Sozialschutz. Die Künstlersozialkasse erlässt einen Feststellungsbescheid, wer in den Kreis gehört und wer nicht. Und damit fängt die spannende Geschichte an:

Versichert wird, wer als selbstständiger Künstler erfasst wurde und eine künstlerische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausübt, also Einnahmen erzielt und davon lebt. Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst ausübt, dies durchaus auch im Kollektiv einer Theatergruppe, die z. B. eine BGB-Gesellschaft bildet.

Die Website der Künstlersozialkasse ist sehr übersichtlich geordnet (http://www.kuenstlersozialkasse.de). Hier noch einige Stichworte: Für Künstler, die unter das Künstlersozialversicherungsgesetz fallen, besteht Versicherungspflicht (§ 1 KSVG). Sie werden in der Rentenversicherung des Bundes, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Man kann sich als Kleinverdiener befreien lassen, wenn das Einkommen jährlich 3900 Euro nicht übersteigt. Häufig wird das Gegenteil der Fall sein. Wer als Freelancer unterwegs ist, wird versuchen, rasch in die Künstlersozialkasse zu kommen, denn die Hälfte der Versicherungsbeiträge zahlt dann der Staat. Kleinverdienende Berufsanfänger werden für drei Jahre privilegiert: Sie brauchen kein Mindest-einkommen. Ihre Versicherungsbeiträge werden auf niedrigstem Niveau geschätzt und beispielsweise schwangere junge Künstlerinnen, die von der Hochschule kommen und in der KSK versichert sind, haben jetzt Anspruch auf Elterngeld und die Elternzeit wird bei den drei Jahren nicht angerechnet.

Hingegen finanziert sich die KSK u. a. aus der Künstlersozialabgabe, die die Unternehmen (§ 24 KSVG) zahlen müssen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit zu einem einheitlichen Zweck und auf gewisse Dauer ausüben. Dies sind also Theater, Orchester und vergleichbare Unternehmen, also auch Gastspieldirektionen. Die Künstlersozialabgabe darf nicht aus einbehaltenen Gagen finanziert werden. Die Kontrolle der Theater und Unternehmen hat sich in den letzten Jahren erheblich verschärft.

Tipp:

Weitere Informationen über die Künstlersozialkasse erhält man unter www.kuenstlersozialkasse.de.

Sozialversicherung abhängig beschäftigter Bühnenkünstler

Die Bühnenversorgung ist neben der gesetzlichen Rentenversicherung das zweite Rentenstandbein der Bühnenkünstler und Musiker von Kulturorchestern, die abhängig arbeiten. Dies umfasst Alters-, Berufs-, Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Sterbegeld (1200 Euro), Witwengeld sowie Hinterbliebenenversorgung und gewährt freiwillige Zuschüsse zu Heilverfahren sowie Abfindungen für Tanzgruppenmitglieder, die ihren Beruf wechseln wollen. Zu diesem Zweck wurden zwei Versorgungswerke gegründet, die ihren Sitz in München haben. Die Bayerische Versorgungskammer ist das organisatorische Dach der Versorgungswerke. Die Künstler sind Pflichtmitglieder, aber z. B., wenn man seinen festen Job verloren hat und andere Tätigkeiten ausübt, so kann man mit einem Mindestsatz von 12,50 Euro freiwilliges Mitglied bleiben und Anwartschaften erwerben. Die Beiträge richten sich nach der Höhe des Einkommens. Die Beitragsbemessungsgrenze nach oben liegt bei 16 Prozent, ansonsten bei neun Prozent des Einkommens. Die Pflichtbeiträge sind zur Hälfte vom Künstler und zur anderen Hälfte vom Arbeitgeber zu tragen. Das Altersruhegeld steht einem Versicherten nach den allgemeinen Regeln der Regelaltersgrenze zu, also mit 65 plus. Eine Mindestanwartschaft von sechzig Monaten ist erforderlich. Für viele Künstler ist diese zweite Rente die Rettung im Alter. Je nach Einkommen und Anwartschaft liegen die Bezüge bei knapp zwei Dritteln der gesetzlichen Altersrente und werden dazuaddiert. Interessant sind auch die Regelungen der Zuschüsse im Heilverfahren. Dumm ist, wer auf Zuschüsse zu Kuren und Zahnersatz verzichtet. Allerdings sollte man sich die Anspruchsvoraussetzungen vor allem beim Zahnersatz durchlesen und wissen, dass es deshalb gut ist, beispielsweise auch als Dramaturg, über eine Spielverpflichtung im Vertrag zu verfügen.

Tipp:

Weitere Informationen über die Bühnenversorgung erhält man unter www.versorgungskammer.de.

Bühnenunfallversicherung: Fest angestellte Bühnenkünstler, Lernende, Praktikanten und Hospitanten etc. sind kraft Gesetzes bei Arbeits- und Wegeunfällen versichert (§ 2 Abs. 1, §§ 7 ff. SGB VII). Der Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf Personenschäden, allerdings nicht auf ein Schmerzensgeld, aber Heilbehandlungen, medizinische Rehabilitationen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben der Gemeinschaft sowie Verletzten- oder Übergangsgeld werden gewährt. Die Berufsgenossenschaften sind finanziell sehr gut ausgestattet und vor allem physiotherapeutische Leistungen kann man über Jahre hinweg verordnet bekommen. Es gilt die Regel: Alle Unfälle auf der Bühne oder auf dem Weg dorthin unbedingt anzeigen und vom Arbeitgeber aufnehmen lassen. Der Arbeitsunfall im Sinne der Unfallversicherung ist definiert in § 8 SGB VII:

„Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.“

Das Theaterunternehmen oder andere Mitarbeiter (Bühnenunfall) haften allerdings nur, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg herbeigeführt haben (§ 104 ff. SGB VII).

Arbeitslosenversicherung (SGB III Arbeitsförderung, SGB IV): Viele Künstler sind zwischen ihren Gastverträgen oder ihren Drehs ohne Beschäftigung. Waren sie aber abhängig beschäftigt und haben Arbeitslosenversicherungsbeiträge gezahlt, so steht ihnen das Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II (auch Hartz IV genannt) zu. Es ist keine Schande, arbeitslos zu sein. Es ist allenfalls eine Schande, in einem reichen Land nicht genügend abgesichert zu sein. Versicherungspflichtig sind alle, die nicht nur als geringfügig Beschäftigte (§ 27 Abs. 2. S 1 SBG III, § 8 SGB IV) gegen Arbeitsentgelt sich verdingen müssen.

Arbeitslosengeld I: Das Arbeitslosengeld errechnet sich grundsätzlich aus dem durchschnittlichen Bruttoentgelt der letzten 52 Wochen. Dieser Betrag wird vermindert um die üblichen gesetzlichen Abzüge. Dies ergibt sich aus §§ 129 ff. SGB III. Das Arbeitslosengeld beträgt bei Arbeitslosen mit Kind 67 Prozent. Sonst sechzig Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt).

Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 S. 1 SGB III). Etwas anderes gilt für die Abfindungen nach dem NV Bühne. Werden Schauspieler nicht verlängert, weil ein Intendantenwechsel ansteht, so erhält man eine Entschädigung je nachdem, wie lange man am Haus beschäftigt war.

Will eine Bundesanstalt für Arbeit diesen Betrag anrechnen, so muss man dringend Widerspruch einlegen und sich ggf. einen Rechtsanwalt oder rechtskundigen Kollegen beiziehen. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich nach der Dauer des vorherigen Arbeitsverhältnisses in den letzten fünf Jahren und dem Lebensalter. War jemand in Arbeit und von daher pflichtversichert für zwölf Monate, so hat er sechs Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die sogenannte Hartz-IV-Reform hat den Bezug von Arbeitslosengeld erheblich reduziert. Hartz I bis IV sind Kurzbezeichnungen für Arbeitsmarktreformen. Die Hartz-Reformen hatten sowohl eine effizientere Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland als auch die Reformierung der staatlichen Arbeitsvermittlung zum Ziel. Grundlage für die Hartz-Gesetze waren Vorschläge der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ unter dem Vorsitz des damaligen VW-Vorstandsmitglieds Peter Hartz. Nach der Bundestagswahl 2002 hat die Bundesregierung diese Vorschläge als Einzelgesetze (Hartz I bis IV) eingebracht. Idee der Reformen war es, mit Hilfe grundsätzlicher technischer wie organisatorischer Verbesserungen der Arbeitsvermittlung jeden zu befähigen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu bestreiten.

Die (Höchst-)Bezugsdauer von 48 Monaten wurde auf 24 Monate reduziert, vorausgesetzt, der Arbeitslose ist schon über 58 Jahre alt und hat ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Dauer von mindestens 48 Monaten ausgeübt. Dies ergibt sich aus § 147 SGB III.

Das sogenannte Hartz-IV-Gesetz hat die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zu einer neuen gemeinsamen Leistung zusammengeführt.

Arbeitslosengeld II: Auch Selbstständige können sich unter speziellen Voraussetzungen durch eine Arbeitslosenversicherung absichern. Dies ist ein Versicherungsverhältnis auf Antrag. In § 28 a SGB III ist diese Möglichkeit geregelt:

„(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.(weggefallen)

2.eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,

3.eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,

4.eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder

5.sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.“

Der Antragsteller muss jedoch, bevor er selbstständig wurde, innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gearbeitet haben. Er muss also Arbeitnehmer gewesen sein. Weiterhin muss man wenigstens 15 Stunden wöchentlich eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen oder ausüben. Der Antrag muss innerhalb der ersten drei Monate der Selbstständigkeit gestellt werden.

Das Arbeitslosengeld II soll den Regelbedarf und den Mehrbedarf eines menschenwürdigen Lebens erbringen. Hierin sind auch Leistungen für Unterkunft und Heizung enthalten. Dieses Versicherungsverhältnis endet, wenn die Beitragszahlung länger als zwei Monate unterbleibt. Der monatliche Beitrag liegt derzeit bei circa siebzig bis achtzig Euro.

Die Crux des Arbeitslosengeldes II ist die Rechtsfigur der Bedarfsgemeinschaft. Die Bedarfsgemeinschaft ist geregelt in § 7 Abs. 2 und 3 SGB II, weiterhin in § 12 SGB II. Haben die in der Bedarfsgemeinschaft Lebenden selber ein Einkommen aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit, so wird dieses Einkommen angerechnet. Weiterhin gilt das, wenn in der Bedarfsgemeinschaft wohnende Personen verwertbares Vermögen haben. Dann soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld II reduziert werden oder gar nicht erst entstehen. Fälle der Bedarfsgemeinschaft können daher sowohl Formen der Paarbeziehung als auch Wohngemeinschaften sein.

Literaturtipp:

Arbeitslosenprojekt Tu Was (Hg.): Leitfaden für Arbeitslose.

33. Auflage. Frankfurt am Main 2017.

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