Magazin
Schrot und Korn
Zum ersten Mal trafen sich europäische Bürgerbühnen zu einem Festival in Dresden
von Michael Bartsch
Erschienen in: Theater der Zeit: This Girl: Die Schauspielerin Johanna Wokalek (09/2014)
Um zur Dresdner Bürgerbühne zu gelangen, muss man nicht den Pförtner am Personaleingang passieren. Jeder, der vom Foyer im Kleinen Haus des Staatsschauspiels aufsteigt und eine Vorstellung hoch oben auf der Probebühne besucht, kommt hier vorbei. Leiterin Miriam Tscholl erwähnt in ihrem kleinen Büro Lessings „Hamburgische Dramaturgie“: Die Protagonisten sollten vom gleichen Schrot und Korn sein wie die Zuschauer – da sei man doch mit der Bürgerbühne ganz dicht dran! „Das könnte ich sein oder mein Nachbar!“ Authentizität sei wichtiger als versuchte professionelle Verwandlungskunst. Und längst sei es an der Zeit gewesen, sich im neuen alten Genre des partizipativen Theaters zu einem Festival zu treffen, zu vergleichen, über Ziele und Möglichkeiten zu reden.
Die Kulturstiftung des Bundes fördert seit 2005 mit dem „Heimspiel“-Programm solche Mitmach-Theaterprojekte in urbanen Räumen. Das erste Bürgerbühnenfestival fand im Mai 2014 am Staatsschauspiel Dresden statt. Es ist kein Zufall, dass die Initiative von der sächsischen Landeshauptstadt ausging. Volker Lösch und Bernd Freytag erprobten ihre Bürgerchöre zwar auf mehreren Bühnen, in Dresden aber sorgte vor zehn Jahren der provokante Chor der Arbeitslosen in den „Webern“ bundesweit für Aufsehen. Als 2009 Intendant Wilfried Schulz und seine Mannschaft aus Hannover nach Dresden kamen, gingen sie mit dem Bürgerbühnenkonzept noch...