Recherche und Feldforschung: Künstlerkollektive auf dem goldenen Mittelweg zwischen Kunst und Gesellschaft, Sozialem und Künstlerischem?
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Künstlerkollektive wie She She Pop, andcompany&Co., Wochenklausur, Fräulein Wunder AG oder hannsjana recherchieren in gesellschaftlichen und sozialen Feldern und entwickeln hieraus ihre Stoffe. Oft entstehen diese Produktionen außerhalb der traditionellen Staats-, Stadt- und Landestheaterlandschaft mithilfe von Projektförderungen oder im Kontext von Festivals.304 Viele dieser Produktionen entgehen der Polarisierung gesellschaftlich-sozial-pädagogischer Auftrag versus künstlerische Freiheit von vornherein, vielmehr überwiegt ein Zusammendenken beider Aspekte: Ihr Verständnis von Kunst umfasst ebenso gesellschaftliche, soziale und politische Kritik. Die weiter oben anhand der Beobachtungen von Boltanski und Chiapello beschriebene Kluft zwischen Kunst- und Sozialkritik ist hier nicht spürbar, vielmehr sind feministische, postkoloniale oder soziale Diskurse Teil des künstlerischen Ausdrucks. Darüber hinaus kann in vielen solcher Art gestrickten Produktionen beobachtet werden, dass sie bewusst in bestimmten sozialen und gesellschaftspolitischen Kontexten entstehen. Fräulein Wunder AG siedelt sich mit Power of the Pussy beispielsweise genderkritischen und feministischen Kontexten an, She She Pop thematisiert in Schubladen ostdeutsche und westdeutsche Biographien, und Wochenklausur arbeitet meist mit sogenannten sozialen Randgruppen, wie beispielsweise mit Obdachlosen und Drogenabhängigen.
Das südafrikanische Magnet Theatre arbeitet, so zeigt es der Bericht im Prolog, seit vielen Jahrzehnten mit dieser Produktionsweise. Das Thema Xenophobie, welches beispielsweise in Die Vreemdeling auf die Bühne kommt, wurde in Workshops in kleinen...