Vorgerückt aus dem Hintergrund
Jérôme Bels Künstler:innenporträts
Erschienen in: Recherchen 171: Nebenfiguren (11/2024)
Assoziationen: Tanz Jérôme Bel
Die Pariser Ballettsaison 2004 begann mit einem Skandal. Für die Eröffnungsgala war der französische Choreograf Jérôme Bel von Brigitte Lefèvre, der damaligen Ballettdirektorin der Opéra de Paris, eingeladen worden, eine Uraufführung zu kreieren. Das Resultat trug den Titel Véronique Doisneau.2 Beim Pariser Ballettpublikum fiel das Stück zunächst durch. Die Tanzpublizistin und -wissenschaftlerin Iris Julia Bührle beschreibt die Aufführung in ihrer tanznetz-Kritik vom 8. Oktober 2004 folgendermaßen:
Die Titelheldin ist eine Tänzerin der Pariser Kompanie am Ende ihrer Karriere, die den Rang eines ›Sujet‹ innehat, was wohl am ehesten dem eines Halbsolisten [sic!] entspricht. Doisneau kommt im Probenkostüm auf die Bühne, erzählt aus ihrem Leben und tanzt einige Ausschnitte aus ihren Lieblingsstücken, meist zu selbst gesungener Musik. Dann folgt ein langer Teil, in dem sie ihre Rolle als unbewegter Schwan im Corps während des Pas de Deux des zweiten Aktes von ›Schwanensee‹ zu Musik vorführt. Wenn an der Idee, das Leben eines relativ unbekannten Tänzers zu einem Ballett zu verarbeiten, ganz bestimmt nichts auszusetzen ist, so ließ doch die Ausführung sehr zu wünschen übrig. Das Stück besteht zum größten Teil aus Pausen und ist dadurch, dass es sehr an der Oberfläche bleibt und auch kein wirkliches Porträt einer...