Man selber lebt ja im Pop
von Klaus Theweleit
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Heute sind alle technischen Medien verbunden mit dem, was wir seit den fünfziger Jahren die Errungenschaften der Popkultur nennen. Die ganze Welt sendet die gleichen Songs, sieht dieselben Filme, verfügt über die gleiche Elektronik. Also ist die politische Macht heute gezwungen, sich bei ihrer Durchsetzung mit Teilen dieses Popimperiums zu verbinden. Das geht natürlich am besten mit Leuten, die ihr Pop-Sein gar nicht mal simulieren müssen; die vielmehr selber kiffen, ihr Bier trinken am Mikrofon, die lustigen DJ’s spielen, Witze machen, Events ankündigen, und zwischendrin immer reinstreuen: „Bringt die Kakerlaken um, wie viele Tutsi hast du heute geschafft?“ In dieser Mixtur. Diese Mixtur haut viel stärker rein beim Hörer, ist viel unabwehrbarer als die Stimme eines politischen Führers, die demagogisch herumkräht und vorschreibt: Ihr sollt jetzt das und das machen. Milo Raus „Hate Radio“ ist genau deswegen so toll, weil man diese vier Figuren da in ihrem Sendekäfig sitzen sieht und komprimiert mitbekommt, was solche vier Leute in so einem Studio anrichten können. Die sich da als Popfiguren gerieren, gut drauf sind, ihr Bier trinken und immer auf den Knopf des Killings drücken. Das ist nicht nur ungeheuerlich, wie man so leicht sagt; das ist hochgradig unheimlich. Man selber lebt...