Johans Schweigen
Wachsein und Warten
von Jens Harzer
Erschienen in: Arbeitsbuch 2023: Johan Simons – Dialog mit dem Tod (07/2023)
Sitzen mit Johan Simons am Tisch auf einer Probe. Er lässt den Kopf hängen. Er sagt nichts. Er lässt lange nichts von sich hören. Sitzt einfach da, mit geradem Rücken und der große Schädel ist nach unten gerichtet. Oder die Hände sind aufgestützt und darunter vergraben die Haare.
Während der andere große Schweiger, den ich kennenlernen durfte, Dimiter Gotscheff, schon zu Beginn einer Probe nichts sagte, und er alle zwang, gemeinsam auf das Schweigen zu warten, damit auch bestimmt wirklich nichts los ging und man sozusagen auf das Warten (und das Schweigen) wartete, versteckt Johan sein Nicht-Sprechen-Wollen oder -Können anders. Die Probe beginnt meist offen und zugewandt, heiter und gelassen, man tauscht sich aus und plaudert sogar, aber wenn man ihn kennt, ahnt man schon die ersten Schatten des Zurückziehens in seinem Gesicht, in seinem ganzem Körper.
Man sitzt dann am Tisch und fängt an zu lesen (man liest viel bei ihm und lange), um dann nach dem Lesen ein wenig zu reden und sich vorsichtig und fast schüchtern auszutauschen, um dann wieder zu lesen, und zu lesen, um dann erstmal nichts zu sagen, und dann liest man wieder, – und währenddessen versinkt Johan oft in diese Abgewandtheit, Abgeschlossenheit, der...