15.3 Offensichtlich oder originell?
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
ines der größten Missverständnisse im Improtheater besteht darin, dass Improvisierer von Zuschauern für ihre großartigen Ideen gelobt werden. Schlimmer als dieses Missverständnis sind nur noch Improvisierer, die selber so denken und die in ihre eigenen Ideen dermaßen verliebt sind, dass sie sich nicht von ihnen lösen können. Diese Improvisierer suchen in ihrem Kopf nach originellen Antworten oder Story-Wendungen. Sie sind enttäuscht, wenn die Szene eine andere Richtung nimmt als erhofft.
Gute Improvisierer brauchen keine besonderen „Ideen“. Sie nehmen vorlieb mit dem, was bereits vorhanden ist und vertrauen darauf, dass im Prozess des Miteinanders etwas Besonderes, etwas Einmaliges entsteht, das insofern „originell“ ist, als dass weder sie noch ihre Mitspieler noch das Publikum damit hätten rechnen können.
Erinnern wir uns an die Szene „Elefanten-Pediküre“ (S. 195). Kommt ein Angebot völlig aus dem Nichts, wirkt es ausgedacht oder gewollt-lustig, so dass man als Zuschauer die Absicht erkennt und verstimmt ist. Als Zuschauer gibt es einen gewissen Rahmen, innerhalb dessen wir Handlungen und Sätzen zu akzeptieren bereit sind. Diese können durchaus ungewöhnlich sein, aber wenn das Ungewöhnliche ohne jegliche Beziehung zum Etablierten steht, nimmt unsere Bereitschaft immer mehr ab, mitzugehen. Das heißt nicht, dass wir nicht ins Absurde driften könnten, aber...