I. Einleitung, Fragestellung, Forschungsstand
von Joscha Schaback
Erschienen in: Recherchen 158: Kindermusiktheater in Deutschland – Kulturpolitische Rahmenbedingungen und künstlerische Produktion (01/2021)
1.Einleitung: Zur Entwicklung des neuen Musiktheaters für Kinder
Im Jahr 2002 entdeckte die Zeitschrift Theater der Zeit ein »kleines Wunder«. In einem Themenschwerpunkt versammelte das Magazin Rezensionen, Hintergrundartikel und Interviews zu einer neu aufgekommenen Bewegung: dem Musiktheater für Kinder. Manfred Jahnke sprach vom »Boom der Kinderoper«.1 Was war passiert?
Binnen weniger Jahre gründeten die Intendanten der großen Opernhäuser in Köln, Wien und Stuttgart eigene Abteilungen, in denen sie ihre Arbeit für Kinder und Jugendliche professionalisierten. In Köln erfand Günter Krämer 1996 die Junge Oper in der Yakulthalle, ein ins Foyer gebautes Minibarocktheater. Wenige Jahre danach ließ Ioan Holender in Wien die Kinderoper auf dem Dach der Staatsoper installieren. Schon früh setzte sich der Intendant für Uraufführungen im kleinen Format ein. In der neuen Institution wurden aber auch die partizipativen Angebote der Staatsoper, vor allem die Kinder- und Jugendchöre, gebündelt. Die Gründung hatte immense Strahlkraft in die Öffentlichkeit: ein Ort für Kinder, für Pädagogik und Experimente mitten auf einem der ehrwürdigsten Operngebäude der Welt! Klaus Zehelein begann in Stuttgart 1995 zunächst mit einem Vermittlungsprogramm für den Abendspielplan. In der 1997 gegründeten Jungen Oper wurde das Mitwirken auf der Bühne und hinter den Kulissen institutionalisiert. Die drei Säulen der Arbeit für...