Erstaunlich, diese Wirkungsgeschichte des vor 200 Jahren gestorbenen Erzbuben der Perversion! Angesichts von Büchern wie „Die hundertzwanzig Tage von Sodom“ wundert man sich über die Reihe jener Autoren, die sich als seine Erben ansehen; sie gehören alle zu den Ikonen der modernen Kunst: von Baudelaire mit seinen „Blumen des Bösen“ über Lautréamont und seine „Gesänge des Maldoror“ bis zu Nietzsche. Apollinaire nannte ihn den „freiesten Geist, der jemals existiert hat“. Ist de Sade der „Unterwanderer“ jenes Zwangs zu Gutheit, der das überkommene Menschenbild bestimmt?
Volker Reinhardt hat die Biografie jenes Mannes geschrieben, der sein Leben wie eine einzige Theaterinszenierung verstand. Von Peter Weiss kennen wir „Marat / de Sade“ – aber wie exponiert seine Rolle etwa in der Französischen Revolution war (er betätigte sich als Revolutionsrichter und rettete dabei seine Schwiegereltern vor der Guillotine), das kann man nun in „De Sade oder Die Vermessung des Bösen“ nachlesen. Sind diese entsetzlichen Gewaltphantasien, das bewusste Quälen anderer Menschen nun bloßer Ausdruck von menschenverachtender Perversion, Triebtäterprotokolle oder das Gegenteil davon, deren Verwandlung in einen ästhetischen Ausdruck, der von dem Zwang befreit, die ausgemalten Taten auch ausführen zu müssen?
Volker Reinhardt fragt: War de Sade ein Sadist? Sexualität ist eine gefährliche Kraft. Der Surrealismus...