Skandal um Theaterlesung in Weimar
Breiviks Rede auf der Bühne
von Dirk Pilz
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
In Weimar wird die Rede des Massenmörders Breivik auf der Bühne verlesen. Ein Lehrstück über Politik.
Vergangenes Wochenende ist es in Weimar zu einem Skandal gekommen. Das ist schön, denn solchen Skandalen ist zu danken, dass mit ihnen kenntlich wird, was man Zeitgeist nennt, nämlich die unausgesprochenen Übereinkünfte, die eine Zeit mit ihren Genossen teilt.
Der Regisseur Milo Rau hat am Nationaltheater Weimar einen szenischen Kongress unter dem Titel „Power and Dissent“ kuratiert. In Vorträgen und Gesprächen ging es um die Frage, wie sich staatliche Macht manifestiert, wie sich Kunst und Dissidenz zueinander verhalten und was es heute heißt, politische Strategien in der Ästhetik zu verfolgen. Einen Schwerpunkt bildete der Große Terror unter Stalin in Russland und die jüngsten Prozesse gegen die Punk-Band Pussy Riot. In diesem Rahmen kam es auch zur Uraufführung von „Breiviks Erklärung“, einer Theaterlesung jener Rede des 77-fachen Mörders Anders B. Breivik, die er am 17. April 2012 vor dem Osloer Gericht gehalten hat. Die Schauspielerin Sascha Ö. Soydan sprach den Text.
KOMMUNIKATIONSLOCH
Einen Tag vor der Erstaufführung von „Breiviks Erklärung“ entschied sich das Deutsche Nationaltheater Weimar, diesen Abend nicht im Theater stattfinden zu lassen. Man wolle sich von den Aussagen Breiviks „distanzieren“. Der geschäftsführende Direktor...