Sieben Leben im Schnelldurchlauf
Anmerkungen zur Inszenierung zukünftiger Biographien in Gob Squads Before Your Very Eyes
von Michael Wehren
Erschienen in: Recherchen 109: Reenacting History: Theater & Geschichte (02/2014)
Anmerkungen zur Inszenierung zukünftiger Biographien in Gob Squads Before Your Very Eyes
Bio-Graphie
Biographien beziehen sich normalerweise und normalisierend auf bereits gelebtes Leben. Im engeren Sinne geht es dabei um Bio-Graphie, ein geschriebenes Leben, das, wovon es eigentlich erzählen soll, grundsätzlich formt und gestaltet. Das Schreiben des Lebens und so auch die Form der Biographie erarbeiten, bearbeiten und konstruieren das Material moderner Biopolitik, ihren vermeintlichen Rohstoff, das Leben selbst, als spezifisch mediale Verfahren. Diese Gestaltung und Formung von Leben und Lebensläufen ist wesentlich von Erzählschemata, Stereotypisierungen, Plot-strukturen und ähnlichen Mustern geprägt, in denen sich soziale Normen, Werte und Imaginationen dessen, was Leben ist – beispielsweise ein gelungenes oder nicht gelungenes Leben –, manifestieren. So sind Biographien nicht nur mediale Ausgestaltungen und Formungen des Lebens, sie sind als Schriftphänomen immer auch Vorschriften: Entwürfe und Modelle von Leben und Lebensläufen. Als Vorschriften „haben [sie] den Charakter von Appellen, Ansprüchen, Anregungen, Aufforderungen, Herausforderungen“1, welche sich an das Subjekt richten und es in Szene setzen. Zugleich beziehen sie sich auf die Zeitlichkeit des angerufenen Subjekts: „Vorschriften geben nicht nur an, was geschehen kann, sondern was zu tun ist. Das Vorgeschriebene liegt nicht in der Zukunft, es eröffnet oder verschließt eine Zukunft.“2...