Auftritt
Thalia Theater Hamburg: Die Streitenden
„Die Besessenen“ von Albert Camus – Regie Jette Steckel, Bühne Nadin Schumacher, Jette Steckel, Kostüme Pauline Hüners
von Peter Helling
Assoziationen: Hamburg Theaterkritiken Jette Steckel Thalia Theater
Mit einem leisen Adieu geht Barbara Nüsse von der Bühne, einen Sitzwürfel in der Hand. Vorne, direkt an der ersten Zuschauerreihe vorbei. Und irgendwie klingt dieses Adieu – also „Gott befohlen“ – wie: „Gott ist tot“: Gott geht von seiner eigenen Bühne ab. Damit endet dieser intensive, wenn auch anstrengende Theaterabend. Auf der Bühne ist zweieinhalb Stunden eine Menge los: ein lauter, streitsüchtiger, hasserfüllter, sehnsüchtiger, selbstmörderischer Debattierclub. Im Stück spielt Barbara Nüsse Stepan Trofimowitsch, einen Gelehrten, der der intellektuellen Welt der Großstadt entflohen ist, um in einem Provinznest langsam vergessen zu werden. Um sich geschart hat er seine Schüler und Schülerinnen, und die streiten sich wie verrückt über die eine Frage: Was ist Wahrheit? „Um die Wahrheit wahrscheinlicher zu machen, muss sie immer mit Lüge vermengt werden. Die Menschen haben immer so gehandelt.“, sagt der kluge Mann mit roter Halsschleife. Eine Ansage. Denn der Satz gilt auch für die Kunstform Theater selbst. Mit der Lüge, also der Behauptung einer Figur, einer Handlung, Wahrheit zu erzählen.
Regisseurin Jette Steckel verlegt Albert Camus‘ Theaterfassung von Dostojewskijs Roman „Die Dämonen“ auf die Vorbühne, in einen großen schwarzen Würfel (Bühne: Nadin Schumacher, Jette Steckel), den das Ensemble am Anfang aus dem Zuschauerraum betritt. Innen...
Erschienen am 14.2.2023
