Die künstlerische Arbeit fotografieren
von Matthias Rothe
Erschienen in: Recherchen 170: Tropen des Kollektiven – Horizonte der Emanzipation im Epischen Theater (11/2024)
»Bei der Arbeit. Künstler und Werk mit sich allein«, so lautet 1927 der Titel einer Fotoserie im monatlichen Journal Uhu, das, seit 1924 vom Ullstein Verlag herausgegeben, äußerst erfolgreich und mit gut illustrierten Beiträgen die Kultur, Wissenschaft und Politik der Weimarer Republik kommentiert.1 Die Serie porträtiert bekannte Künstler und eine Künstlerin, die Bildhauerin Renée Sintenis. Sie legen gerade Hand an: Rudolf Belling bearbeitet mit dem Meißel einen gegossenen Blechkopf nach, der Architekt Hans Poelzig korrigiert mit dem Bleistift seine Pläne, der Maler Willy Jaeckel zeichnet die Schulterlinien eines Porträts, Renée Sintenis, zwar in der Werkstatt mit anderen, aber durch die Bildkomposition als Zentrum etabliert, »überprüft eine eben [Hervorhebung M. R.] gegossene Kleinplastik«,2 Max Reinhardt am Regiepult, »während einer Probe«,3 schaut im Umblättern seiner Notizen auf und so weiter. Der begleitende Artikel spricht davon, dass der Künstler (oder eben die Künstlerin) mittlerweile die Hilfe der modernen Chemie für Farben in Anspruch nimmt, mit »Präzisionswerkzeugen« arbeitet, »die in ihren Verfeinerungen mit dem Besteck des Chirurgen wetteifern«,4 Kräne mit Eisenketten bemüht, der Industrie die neuesten Materialien abschaut und sich dennoch in der »ewige[n] Sorge [...] um sein Kunstwerk« – »[e]s ist ein ewiger und aufreibender Kampf mit dem Material«...