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48 Stunden Menschenrechte
In Bautzen soll eine neue transkulturelle Bürgerbühne des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Einheimische und Geflüchtete zusammenbringen
von Michael Bartsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Franz Rogowski: Der Schmerz des Boxers (09/2018)
Assoziationen: Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen
Lampenfieber kennen die jungen Spieler und Musikanten kaum. Verwandte, Freunde und Bekannte schauen zu, als sie am vorletzten Ferientag im August im soziokulturellen Zentrum Steinhaus in Bautzen die Ergebnisse ihres Sommercamps präsentieren. Sprechtheater, Tanz und Musik umfasst das knapp halbstündige Programm. Es ist zwar nicht mehr ungewöhnlich, dass Schüler verschiedener ethnischer Herkunft gemeinsame Projekte angehen. Die Mischung fällt dennoch auf.
Hauptdarstellerin in dem kleinen, an das Rotkäppchen-Märchen angelehnten Theaterstück ist beispielsweise die aus Syrien stammende Rafa Takedin. Vor drei Jahren erst floh ihre Familie nach Deutschland, aber nur gelegentlich erinnern sprachliche Unebenheiten an ihre ausländische Herkunft. Dieser kleine Auftritt hat eine Vorgeschichte im Jahr 2017, als erstmals ein Festival unter dem Titel „Willkommen anderswo“ geflüchtete und einheimische Jugendliche am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen zusammenführte. Bereits damals im Herbst sprach Intendant Lutz Hillmann von einem „Soziotheatralen Zentrum“, das er gründen wolle. Auch er stand unter dem Eindruck der Geschehnisse in Bautzen, als 2016 jugendliche Flüchtlinge von Nazigruppen verfolgt wurden und es zu Zusammenstößen zwischen ihnen auf dem Kornmarkt kam. Das Steinhaus diente damals als Zufluchtsort.
Ein „anderes Signal“ solle von Bautzen ausgehen, sagte Hillmann im Juni dieses Jahres, als das Zentrum einen Namen und einen Sitz bekam. Thespis heißt es, benannt nach einem der ersten griechischen Tragödiendichter, der wiederum dem Thespiskarren, also der Wanderbühne seinen Namen gab. Sein Domizil hat das Zentrum unweit des Theatergebäudes in einem ehemaligen Laden. „Gräben überwinden“ und „Empathie erzeugen“ solle diese bürgerbühnenähnliche Theaterarbeit, so Hillmann. Das Team um Michelle Bray ist ausschließlich weiblich und international zusammengesetzt.
Doch auch hier gilt: Aller Anfang ist schwer. Zumindest während der Sommerferien stieß das Vorhaben noch nicht auf die gewünschte Resonanz. Michelle Bray vermutet die Hitze und die „Konkurrenz“ an eben diesem Steinhaus als Ursachen, mit dessen jährlicher Sommerakademie man schließlich kooperierte. Mehrere Teilnehmer wirkten ohnehin in beiden Gruppen mit. Richtig ins Rollen wird der Thespiskarren erst im September kommen. Man hat schließlich Großes vor. Von einer Fragebogenaktion auf dem Kornmarkt war bei der Vorstellung die Rede, ebenso von einer 48-Stunden-Aktion zur UN-Menschenrechtserklärung von 1948 und von einer deutscharabischen Frauentheatergruppe. Auch zwei Theaterproduktionen soll es geben, eine an eine klassische Vorlage angelehnte Arbeit und eine freie Stückentwicklung zu authentischen Problemen der Teilnehmer. Zudem gilt es, einen Sprech- und einen Bewegungschor zu formieren. In drei Jahren soll sich die Thespis-Arbeit bewähren. So lange fördert erst einmal das Sächsische Staatsministerium für Gleichstellung und Integration das Projekt. //