Was Griechenland ist, wissen wir nicht, immer nur, was es nicht ist. Am häufigsten scheint dabei die Bestimmung: „Italien ist nicht Griechenland“. Den Satz sagten 2011 sowohl der FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle als auch der italienische Premier Silvio Berlusconi. Man könnte die Reihe der Negativbestimmungen schier unendlich fortsetzen. Von Polen bis Portugal will niemand eines sein: Griechenland! Warum eigentlich nicht? Weil das Land, das die Demokratie erfand, inzwischen bei Politikern namens Papandreou oder Varoufakis anlangte, die „Troika“ zu einem dubios-neuen Wortsinn fand und Krise etwas zu sein scheint, mit dem das Finanzkapital nach Belieben Politik jenseits der Politik betreibt?
Volker Braun schlägt in „Die Griechen“ einen weiten Bogen: vom Mythos des Minotaurus bis zu Wolfgang Schäuble, von der antiken Tragödie bis zu den Athener Putzfrauen von heute, die den Aufstand gegen das Weg-Gespart-Werden wagen. Brauns Stück ist, was seine Texte seit dem „Hinze-Kunze-Roman“ und der „Übergangsgesellschaft“ immer waren: tradierte Genres aufbrechende Wort-Katarakte. Das abgründige Traktat ist spielbar! Jedenfalls dann, wenn man unter Spiel einen Anwendungsfall jener Reflexion versteht, die die dumpfe Praxis ins Licht rückt. Die Bühne nimmt Regisseur Manfred Karge als Steigerungsmöglichkeit ins Minimalistische. Eine Stuhlreihe muss als Ausstattung (Bühne und Kostüme: Beatrix von Pilgrim) genügen für diesen Transitraum der...