Magazin
Ich und die Wirklichkeit
Das Treffen deutschsprachiger Schauspielstudierender in Stuttgart
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Sie sind zurück – Vegard Vinge und Ida Müller im Nationaltheater Reinickendorf (09/2017)
Mit einem Päckchen voll Handwerk, Ideen und Motivation gehe man aus der Schauspielschule in die Welt – und trage dann Verantwortung. So sagte es Mattea Cavic, die Vertreterin der Studierenden zur Eröffnung des diesjährigen Bundeswettbewerbs deutschsprachiger Schauspielstudierender in Stuttgart. Im dortigen Theaterhaus versammelten sich vom 25. Juni bis zum 2. Juli 19 staatliche Schauspielschulen des deutschsprachigen Raums, um anhand ausgewählter Inszenierungen ihrer Studierenden den Stand der Ausbildung zu zeigen – und zu diskutieren.
Die gastgebende Schule aus Stuttgart mühte sich eröffnend mit Fassbinders „Katzelmacher“ und vor allem der idiomatischen Sprache des Stücks – und setzte die Agenda: das Verhältnis von Gesellschaft und Einzelnem angesichts der jüngeren politischen Entwicklungen. Aus Graz kam die Stückentwicklung „My Lovely Europe. Ein Heimatabend“, die mit Tempo und Witz Szenen aneinanderreihte, in denen das Zeitgeschehen verhandelt wurde – und die Spieler sich auch selbst auf der Bühne zum Gegenstand ihres Spiels machten. Dass sich Weltoffenheit und soziale Geschlossenheit nicht ausschließen („fühl dich wohl in deiner Schicht“), war ebenso Thema wie die moralische Selbstbestätigung in der Sphäre der Kultur („im Theater sind wir alle bessere Menschen“). Die Freiheit im Spiel drückte sich auch in der zum Gegenstand aus, alle Begriffe der Debatte um Europa wurden kritisch demontiert....