Auftritt
Thalia in der Gaußstraße Hamburg: Choreografie der Isolation
„Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre – Regie Evgeny Kulagin, Choreografie Ivan Estegneev, Bühne und Kostüme Nadine Schumacher, Komposition Antony Rouchier
von Peter Helling
Assoziationen: Theaterkritiken Hamburg Thalia in der Gaußstraße
Eine Nacht im Museum. Die Rückwand ist rot gestrichen, daran hängen Ölgemälde aus Renaissance und Barock. Strenge Porträts, verschlungene Figuren, ein nackter Rücken, ein Stillleben mit einem Messer. Das Besondere: Die Bilder sind zerschnitten. Risse reichen tief, Farbklekse wie nach einem Anschlag, das Graffito „RIP“, rest in peace. Vor der Wand stehen drei nüchterne Museumsbänke, rechts der Stuhl des Museumswärters. Stefan Stern sitzt da, seine Figur fühlt sich unbeachtet, setzt sich Kopfhörer auf und tanzt einen irren Tanz zur kaum hörbaren Musik, ein schöner, grotesker Beginn. Der Aufseher bleibt nicht lange allein. Garcin betritt die Bühne, nackt bis auf die Unterhose, ein Bündel gefaltete Kleidung in den Händen. Wie ein Gefangener nach dem Verhör. Johannes Hegemann, der seine Beine umeinanderschlingt, wirkt scheu, nett, aber auch lauernd. Was macht er hier? Ein Missverständnis? Nein, bei Regisseur Evgeny Kulagin und Choreograf Ivan Estegneev, die als Künstler aus Russland mittlerweile in Hamburg arbeiten, sieht so die Hölle aus. Garcin hat Schuld auf sich geladen. So wie Inès – Meryem Öz betritt als nächste den Raum –, und Estelle, Victoria Trauttmansdorff mit gezierter Arroganz. Halbnackt, bald werfen sie sich ihre Kleidung über, und die drei Toten fragen sich: Sieht so die Hölle aus? Wo...
Erschienen am 29.2.2024
